Neuerscheinung

Fehler Kuti, Margaret Thatcher und das Spargelstechen

Das zweite Album des deutschen Musikers Fehler Kuti klingt oft luftig und leicht. „Professional People“ verhandelt aber schwere Themen.

Fehler Kuti bei einem Auftritt.
Fehler Kuti bei einem Auftritt.Morr Music

Als Erstes zählt Fehler Kuti bis sieben. „One, Two, Three, Four, Five, Six, Seven/ All Ausländer Go To Heaven“, hört man den Münchener Musiker im Auftaktstück seines neuen Albums mantraartig singen beziehungsweise sprechen. Dazu ertönen klackernde Percussions, repetitive Synthiebeats, Streichersounds und Chöre. Im Videoclip zum Song breitet Fehler Kuti gegen Ende die Arme aus, als wolle er ein Gebet sprechen.

Das Stück „All Ausländer Go To Heaven“ ist auch eine Art Gebet, besser ein Gedenken, denn es ist den Opfern des rechtsextremen Anschlags am Münchner Olympia-Einkaufszentrum im Juli 2016 gewidmet, bei dem neun Menschen – sieben Muslime, ein Rom, ein Sinto – starben. Erst sehr spät, 2019, wurde die Tat von den Behörden als rechtsextrem eingestuft. Fehler Kuti meint, das habe das Trauern erschwert oder unmöglich gemacht. So schrieb er diesen Song, angelehnt an das Kinderlied „All Good Children Go To Heaven“.

Racial Profiling, Schland und Theaterstücke

Fehler Kuti heißt bürgerlich Julian Warner, neben seiner Arbeit als Musiker ist der 35-Jährige auch als Theatermacher und Autor tätig. Mit seinem Künstlernamen spielt er auf den nigerianischen Afrobeat-Pionier Fela Kuti an (und möglicherweise auch auf die diesem nachgesagten homophoben und sexistischen Einstellungen). Um institutionelle Missstände, um Racial Profiling, um uneingelöste Versprechen der Integration von Migranten geht es in Fehler Kutis Texten, er erzählt darin teils auch von eigenen Erfahrungen, die er als Mensch mit dunkler Hautfarbe in Deutschland gemacht hat. „Schland Is The Place For Me“ (2019) hieß sein Solo-Debütalbum, das neue Album „Professional People“ enthält nun Songs, die er 2020 für das Theaterstück „The History of the Federal Republic of Germany as told by Fehler Kuti und Die Polizei“ geschrieben hat.

Mitgewirkt haben die drei The-Notwist-Mitglieder Micha Acher, Cico Beck und Markus Acher (der es auch koproduziert hat), die Experimentierfreude der bayerischen Indie-Innovatoren klingt deutlich an. Der Synthesizer klingt mal knarzig und mal hammondmäßig, oft werden Bläser (Sousaphon, Trompete) eingesetzt, die teils jazzig, teils soulig, teils folkig daherkommen. Stilistisch bewegen sich die 19 Stücke zwischen sehr vielen Polen: Pop und Neue Musik, HipHop und Library Music. Diese Genres bilden hier keine Gegensätze, sondern finden zu einem stimmigen Ganzen zusammen.

So leicht und luftig die Musik in Teilen ist, so ernsthaft sind die Anliegen und Themen. In „Deutsche Pässe“ singt Fehler Kuti über das Klassifizieren von Bürgern nach Hautfarben und über zivilgesellschaftliche Verantwortung: „Your brother wants one/ your sister got one/ but it won’t save them/ if there’s no such thing as society“ (er zitiert hier Margaret Thatchers Ausspruch „there’s no such thing as society“, also: „so etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht“). „The Price Of Teilhabe“ erzählt von der allgegenwärtigen feindlichen Haltung gegenüber Flüchtlingen. Und ein elegisches, weitestgehend instrumentales Stück trägt schlicht den sprechenden Titel: „In Every City, In Every Aldi The Blood Of My Brothers And Sisters Taints Your Spargel“. Denn, das weiß Fehler Kuti: Wer über Spargel spricht, der muss auch über Race und Class sprechen.

Fehler Kuti: „Professional People“ (Alien Transistor/Morr Music)