Dass manche Aufregung um den Gesetzesentwurf reine Polit-Taktik ist, machte die ZDF-Frau Maybrit Illner gleich im Vorspann deutlich, als sie darauf verwies, dass das Ende von Gas- und Ölheizungen schon vor einem Jahr im Koalitionsvertrag festgehalten war. Doch nun wolle die FDP von nichts gewusst haben und sei jetzt erst aufgewacht, und das in einer Woche, in der der Weltklimarat warnt, dass der Klimawandel noch schneller voranschreitet als befürchtet.
Doch der ZDF-Polittalk wollte keinen Streit unter Ampel-Parteien fortführen und hatte keinen FDP-Politiker eingeladen. Als Vertreterin der Regierungsparteien war die Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang in die Runde gekommen. Die aktuelle Klimapolitik wurde aus den Reihen der Opposition angegangen, und zwar auf die ganz harte Tour. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer trat aber nicht wie ein gestaltender Politiker auf, sondern wie ein Vertreter des Volkszorns – beim Reden klopfte er unentwegt auf den Tisch. Er bezeichnete die Klimastrategie der Regierung als „Verarschung der kommenden Generationen“. Es sei bitter, dass sie sich den Realitäten verweigere und mit dem Kopf durch die Wand gehen wolle. Habecks Entwürfe seien pure Planwirtschaft – deren Scheitern er schon mal erlebt habe.
Dabei war der Mann zur Wende erst 14. Immer wieder sprach Kretschmer von „den Menschen“ und „den Leuten“, die genau so denken würden wie er – genau diese Vereinnahmung von oben kennen gelernte DDR-Bürger tatsächlich zur Genüge. Kretschmer beklagte die „gewaltigen“ Kosten, die der Einbau von Wärmepumpen verursachen würden – doch die Summe, die er selbst privat für diesen Einbau ausgegeben hatte, nannte er selbst auf mehrfache Nachfrage von Maybrit Illner nicht. Auch auf die Nachfrage der Talkmasterin, warum in ganz Sachsen im letzten Jahr gerade mal elf neue Windräder aufgestellt wurden, gab er keine klare Antwort. Zwar verlangte Kretschmer immer wieder, das Energiekonzept müsse „ganz neu aufgesetzt“ werden. Doch seine einzigen konkreten Vorschläge stießen bei den anderen Gästen auf wenig Resonanz.
Über die Re-Aktivierung der Atomkraft mochte gar keiner mehr reden und bei Kretschmers Forderung, die zerstörten Ostsee-Pipelines „für die nächsten Generationen“ zu sichern, verwies Gerald Traufetter, Wirtschaftsexperte vom Spiegel, auf die vorhandenen Pipelines zu Lande und forderte den sächsischen Ministerpräsidenten auf, den Leuten Orientierung zu geben und sie nicht nur restlos zu desorientieren. Beim Thema Nord Stream ging auch die Grünen-Chefin Ricarda Lang, die Kretschmers Vorhaltungen erstaunlich gefasst ertragen hatte, emotional aus sich heraus und betonte die geopolitische Komponente: „Ihre Partei hat uns doch erst unfassbar abhängig gemacht vom russischen Gas! Energiepolitik ist auch Sicherheitspolitik!“
Die Bundesregierung wird den geplanten Austausch von Heizungssystemen nach den Worten von @Ricarda_Lang
— maybrit illner (@maybritillner) March 24, 2023
von Anbeginn an sozial gestalten: „Wenn die Regel kommt, dann wird sie sozial flankiert sein, dann wird die soziale Flankierung stehen."
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Unterstützung bekam Michael Kretschmer dafür von der „Wirtschaftsweisen“ Veronika Grimm, die befürchtet, dass Habecks Entwürfe das Land an den „Rand des Nervenzusammenbruchs“ bringen könnten, weil die propagierten Wärmepumpen viel teurer wären als behauptet und die staatliche Förderung unbezahlbar wäre. Andere Experten hielten dagegen. So verwies einer, der auch rechnen kann, nämlich Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Verbrauchermagazins Finanztip, darauf, dass der Einbau von Wärmepumpen die einzige vernünftige Lösung sei. Die Maßnahme wird schon jetzt zu 40 Prozent gefördert und werde sich angesichts steigender Gaspreise auf jeden Fall rentieren. Er gestand aber zu, dass Senioren ihre Probleme mit einer solch langfristigen Investition haben werden und dass Handwerker fehlten – doch ein Verschieben von Lösungen nütze nichts. Auch Spiegel-Mann Traufetter stimmte ihm zu und fand es generell schade, wenn die nötige Energiewende zerredet werde.


