Franziska kehrt, nachdem sie zwei Jahre in Frankreich studiert hat, nach Deutschland zurück. Mit Paris lässt sie auch eine Beziehung hinter sich. Cyril hat sie mit all seiner Zuverlässigkeit und Freundlichkeit gelangweilt und erinnerte sie, damit beginnt Carla Kasparis Debüt, auf einer Party zu ihrem eigenen Entsetzen an einen Hund. Spätestens in diesem Moment wusste sie, dass es vorbei war.
In Deutschland angekommen, findet sich Franziska in einer Art Identitätskrise wieder, die sich vor allem in dem völlig veränderten Verhältnis zu ihrer besten Freundin Mina zeigt. Auf Minas Einweihungsparty merkt Franziska, dass sie nicht weiß, was sie sagen soll, wenn sie neben ihr steht. Immer wieder ringt sie mit sich, will sich mit Mina aussprechen. Aber wenn sie kurz davor ist, etwas zu sagen, fehlen ihr die Worte.
Auch ihre anderen Bekannten und Freunde in Deutschland führen ihr vor Augen, dass sie sich verändert hat. Franziska will ihnen sagen: „Alles ist so schwierig und so egal, außer euch. Ihr seid mir nicht egal. Du bist mir nicht egal. Früher war das alles nicht so schwierig. Kann nicht alles so bleiben wie früher, zumindest noch ein bisschen.“ Und sagt nichts dergleichen.
Kaspari fängt die Stimmung einer Lebensphase ein
All das klingt nach einer mehr oder weniger typischen Coming-of-Age-Story. Aber Kasparis Debütroman ist mehr als das. Er fängt die Stimmung einer Lebensphase ein und zeichnet ganz nebenbei ironisch das Bild einer ungreifbaren Generation junger Leute, die sich und ihr Leben, in ihrer sogenannten Freizeit, auf unterschiedlichste Weise zu optimieren versuchen. Mit Yoga, reflektiertem Drogenkonsum, Masturbation oder dem eigenen Instagram-Auftritt. Franziska sieht all das und oft auch sich selbst aus vermeintlich sicherer Distanz. Ihre Eindrücke verarbeitet sie pointiert in einem Romanmanuskript, ihre Lektorin macht bereits Druck. Man merkt: Franziskas und Kasparis Biografien weisen wahrscheinlich die eine oder andere Parallele auf.
Ein tiefgehendes Debüt über Freundschaft und das Erwachsenwerden
Franziskas Erlebnisse und die feinfühligen Beschreibungen Kasparis von nur auf den ersten Blick alltäglichen Kleinigkeiten gehen unter die Haut. Die langsam brennenden französischen Zigarettenblättchen, die Stände der Fischverkäufer, die gerade aufgebaut werden, als Franziska bei Tagesanbruch durch Paris nach Hause läuft, die Häuser in deutschen Kleinstädten, bei deren Anblick Franziska sich so vorkommt, „als könnte ihr Leben jeden Moment vorbei sein“. Kaspari schreibt auf eine Weise, die einen beim Lesen abwechselnd lachen oder melancholisch über eigene Erlebnisse nachdenken lässt. Stellenweise fast fragmentarisch fügen sich verschiedenen Zeitebenen, die auch aus Franziskas Buch und Chatverläufen mit Mina bestehen, zu einem witzigen und überraschend lebensklugen Roman zusammen.

„Freizeit“, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 304 Seiten, 15 Euro.

