Was machen Schriftsteller, wenn sie nicht gerade schreiben? Sie lesen. Die Bücherfrage der Woche geht heute an die Schriftstellerin, Tänzerin und Choreografin Judith Kuckart, die zuletzt den Roman „Café der Unsichtbaren“ veröffentlichte. Was haben Sie gerade in einem Buch entdeckt?
Judith Kuckart: Das Leben der Jazzpianistin Jutta Hipp. Ilona Haberkamp hat es recherchiert für das Buch „Plötzlich Hip(p)“. In dem „plötzlich“ steckt ein Schreck, aber auch das Aufscheinen von etwas Schönem. Geboren 1925 in Leipzig und gestorben 2003 in New York, ist Hipps Leben ein Stoff, aus dem Filme sind. Ihre Lebensgeschichte ist auch ein Stück Musikgeschichte.
Die Autorin ist selbst Saxofonistin und Musikwissenschaftlerin. Deswegen wohl wird einem beim Lesen manchmal schwindlig vor lauter Namen. Miles Davis, Thelonious Monk, Chet Baker, Josephine Baker, Billie Holliday, Hans Koller, Albert Mangelsdorff, Dizzy Gillespie. Sie alle und noch viele mehr spielen eine Rolle in Jutta Hipps Leben, in dem Arbeit und Privates sich schlecht trennen lassen. Anfangs spielt Hipp als Pianistin in Clubs in Deutschland, gründet 1953 eine eigene Band und hat da schon seit 1948 den Sohn Lionel – ein „brown baby“ von einem afroamerikanischen GI. Das Kind ist in einem Waisenhaus untergebracht, wird später adoptiert.

1954 wird Hipp von dem US-Manager und Impresario Leonard Feather entdeckt. Feather setzt Hipp gleich bei ihrer Ankunft 1955 in New York auf Erfolgskurs: New Port Festival, Hickery House, Plattenaufnahmen. Hipp fängt an zu trinken, auch Wodka, auch schon am Morgen. Sie wechselt den Stil ihres Spiels. Von der sensiblen Cool-Jazzerin wird sie unter dem Einfluss von Horace Silver, selber Jazzpianist und Komponist, zu einer, die plötzlich sehr männlich swingt.


