Waldbrände

Ein Besuch in der Villa Aurora: Heiner Müllers Schreibmaschine ist noch da

Der Berliner Schriftsteller Peter Wawerzinek war einst zu Besuch in Los Angeles und erinnert sich.

Mirkomlux/Wikimedia Commons

Von Vermont/Sunset aus mit dem Bus zwei, rät die Serbin, die mit uns Rolltreppe fährt. Die Zeit wird knapp. Wir wollen zur Villa Aurora, müssen dem Taxifahrer beim Navigieren behilflich sein. Was der alles wissen will, bevor er uns chauffiert. Den Bezirk, die Straße, Hausnummer, das soziale Umfeld, wen wir wählen würden, wenn wir Amerikaner wären.

Derweil tickt die Taxiuhr, fünf Dollar wie weggeblasen, ehe er versteht. Wir reden uns die Münder fusselig: Lilo praktiziert in der Villa Aurora. Künstler-re-si-denz. Ort der Be-geg-nung, des An-den-kens. Zuflucht. Verfolgung. Naziregime. Feuchtwanger. Hat „Jud Süß“, „Die Jüdin von Toledo“ und über Goya geschrieben, fand Stalin akzeptabel. Ist über Marseille, Spanien, Portugal in die Vereinigten Staaten emigriert.

Bücher, nichts als Bücher

Ich sage dem Taxifahrer, dass ich es mehr mit Marta Feuchtwanger habe. Hat ihren Lion in Frauenkleidern aus dem Männerlager Saint Nicolas entführt. Ist erst auf Drängen von Willy Brandt wieder nach Deutschland eingerückt. Hatte Angst, einem die Hand geben zu müssen, der ein Nazi gewesen war. Der Taxifahrer ist zufrieden. Wir zahlen. Er rauscht ab.

Wir stehen vor der Aurora-Villa. Lilo führt uns durchs ganze Haus. Das fast römische Bad. Die Deckentäfelung. Der Fenster-Ritter. Glas in Bleifassung. Speisezimmer. Schreibstube riesengroß. Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Sie da, er dort. Die Treppen. Einzelne Einzelzimmer. Die Großküche. Der Kühlschrank. Büsten, Bilder, Dokumente. Plätschernder Brunnen. Originale Möbel. Schöne Terrasse. In allen Räumen allüberall: Bücher und nix als Bücher. Heiner Müller hat hier seine Schreibmaschine stehen lassen. Mausgrau ist sie, rauchfleckig. Wird ihm zu schwer gewesen sein. Nun ist sie ein Museumsrelikt wie die Dartscheibe, die hinten und vorne je mit dem Bildnis von Adolf Hitler versehen ist. Welchen Treffer mag der Brecht gelandet haben?

Wir sitzen dann mit Ausblick auf Garten und Meer auf dem großen Balkon. Ist richtig Wildlife um uns angesagt. Ein winziger Kolibri. So dick wie eine Hornisse. Und in der Nacht heulen die Kojoten, sagt Lilo. Wir rauchen und reden und trinken guten Kaffee. Und ein munterer Specht gesellt sich hinzu, trommelt mit dem Schnabel einen Begrüßungs-Abschieds-Takt. Auf geht es zum Hotel, dann ans Wasser. Fotos von uns mit Sonnenuntergang im Rücken. Ja, doch ja. Unglaublich. Wie schnell die Sonne einfach so ins Wasser tropft.

Der Schriftsteller Peter Wawerzinek veröffentlichte u.a. die Romane „Rabenliebe“ und „Schluckspecht“. Er war 2012 Stipendiat am Oberlin College in Ohio und damals in Los Angeles zu Besuch.