Frau in der Literatur

Endlich einmal andersrum: „Bye Bye Lolita“ gibt eine Antwort auf Nabokov

Lea Ruckpaul lässt knapp 70 Jahre nach der Veröffentlichung des berühmten Skandalromans nun die Frau selbst sprechen, sie kämpft ums Überleben. Die Buchkritik.

Sue Lyon als Dolores Haze in Stanley Kubricks „Lolita“-Verfilmung von 1962
Sue Lyon als Dolores Haze in Stanley Kubricks „Lolita“-Verfilmung von 1962United Archives/imago

Humbert Humbert verzehrt sich nach „Mädchen zwischen den Altersgrenzen von neun bis vierzehn“. Einige davon nennt er „Nymphetten“ und behauptet, sie seien keine Kinder, sondern dämonische Verführerinnen. Wie die zwölfjährige Dolores Haze, auch Dolly, Lola oder Lolita genannt, die er in einer amerikanischen Kleinstadt kennenlernt. Um an sie heranzukommen, heiratet er ihre Mutter. Nach deren zügigem Tod hat der 37-Jährige die Tochter in der Hand und vergewaltigt sie immer wieder. Dieser Stoff ging als „Lolita“ in die Literaturgeschichte ein. Zunächst 1955 in einem französischen Verlag erschienen, löste es einen Skandal aus. Nicht so sehr wegen der geschilderten Pädophilie, sondern weil man es pornografisch fand.

Schlägt man Nabokovs Roman auf, gewappnet gegen einen abstoßenden Text, trifft man nicht auf ein Monster, sondern auf einen geistreichen, eloquenten, ironischen Ich-Erzähler. Er beginnt seine Geschichte damit, dass er in fabelhaft leichtfüßigen Worten von seiner eigenen glücklichen Kindheit erzählt. Vladimir Nabokov kann hervorragend schreiben. Er formuliert Humberts schillernde Rechtfertigungen für den Sex mit Minderjährigen (etwa, dass Romeos Julia nur 13 Jahre alt war), schildert poetische Fantasien und überwältigende Glücksgefühle dieses Mannes. Erzählt wird der blanke Horror, nämlich, wie er eine Zwölfjährige von sich abhängig macht und alle Handlungen, auf die er Lust hat, mit ihr praktiziert.

Berliner Zeitung

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