Nachruf

Zum Tode von Konrad Klapheck: Deutschlands surrealistischer Pop-Artist

Der Düsseldorfer Maler ist nach Angaben seiner Kinder im Alter von 88 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Konrad Klapheck (1935–2023)
Konrad Klapheck (1935–2023)Horst Ossinger/dpa

Schon lange hatten wir von ihm nichts mehr gehört und gesehen. Konrad Klapheck, einer der berühmten Maler der (alten) Bundesrepublik, um dessen so gespenstisch wie ironisch hypertrophierte Alltagsgegenstände, Maschinen und Apparaturen immer großer Publikumsauflauf gewesen ist, war verstummt. Schwer krank lebte der Künstler die letzten Jahre in einem jüdischen Pflegeheim in Düsseldorf. Er hatte Anfang der 1950er-Jahre an der Kunstakademie seiner rheinischen Heimatstadt studiert und daselbst bis zur Pension gelehrt. Der Sohn einer Kunsthistorikerfamilie hatte eine Jüdin geheiratet und war zu ihrem Glauben konvertiert. Wie seine beiden Kinder David und Elisa Klapheck (sie ist eine der wenigen Rabbinerinnen in Deutschland) am Dienstag mitteilten, ist er dort am Sonntag friedlich entschlafen.

Erstmals stand ich vor Klaphecks Bildern im Jahr 1986 im Alten Museum am Lustgarten in Ost-Berlin. Das Eis des Kalten Krieges schien ein wenig aufzutauen in der Großschau „Positionen“. Erstmals war die Kunst der westdeutschen Nachkriegsavantgarde im Osten zu sehen, initiiert durch westliche Vermittler aus Medien, Diplomatie und Kunst wie Peter Merseburger, Günter Gaus und Lothar Romain. Wir Ostler waren selbstredend heiß auf die Bilder der Großen aus dem Westen: Gerhard Richter, Sigmar Polke, Jörg Immendorff, Georg Baselitz, Gottfried Graubner, Markus Lüpertz, Günther Uecker. Und auf die von Konrad Klapheck. Sein „Glanz und Elend der Reformen“, 1971/73 – das monströse Ungetüm von einem Bulldozer, aber ohne Führerhaus – haute mich förmlich um. Was für eine Metapher, was für eine Ironie für die politische Situation, die zwischen Ost und West und zugleich die der DDR, ihrer ausgelaugten Wirtschaft und dem maroden ideologischen Korsett.

Konrad Klaphecks „Glanz und Elend der Reformen“, 1971/73
Konrad Klaphecks „Glanz und Elend der Reformen“, 1971/73VG Bildkunst Bonn 2023/Freunde der Nationalgalerie/SMB

1993 sah ich das Bild wieder, frisch angekauft in der Sammlung der Neuen Nationalgalerie an der Potsdamer Straße. Deren damaliger Direktor Dieter Honisch hatte Klaphecks bissiges Fortschrittsgleichnis dem „Leuna II“-Gemälde des einst führenden DDR-Malers Willi Sitte gegenüber postiert, und schon ging nicht nur eine Debatte über Gelingen und Misslingen von Reformen und Revolutionen, sondern auch der wenig fruchtbare und erst Jahre nach der Millenniumswende eingeschlafene ideologische deutsch-deutsche Bilderstreit los.

Klapheck hat das anscheinend kaum tangiert. Bald nach dem Mauerfall beschäftigte er sich nur noch mit metallischen weiblichen Akten, mit denen er aber nie die Wirkmacht seiner früheren Werke erzielte. Markant für sein Schaffen bleiben die grotesken unterkühlten surrealen Apparate und Haushaltsgeräte des Wirtschaftswunders, die wie Raketen zischenden, von ihm „Hausdrachen“ oder „Schwiegermutter“ betitelten Bügeleisen und Rührstäbe, Kühlschränke und TV-Apparate, die Duschbrausen, Schläuche, Kabel, die Näh- und vor allem mechanischen Schreibmaschinen so, als seien es Porträts von Wesen mit Charakter. Noch einmal – im Jahr 2011 – entstand eine Schreibmaschine nun in modernem Design, er taufte sie „Der Despot“. Einen Computer hatte er nie auf der Staffelei.

Als Klapheck seine ersten ins Monströse vergrößerten Maschinen und Apparate malte, steckte die Pop-Art, diese ins Riesige aufgeblähte triviale Konsumwelt der Waren und der Werbung in den USA, noch in den Kinderschuhen. Noch malte alles gestisch abstrakt, informell oder geometrisch. Aber nicht Klapheck. Der hatte seinen Stil früh gefunden, nicht als Apotheose des Fortschrittsglaubens wie der linke Franzose Leger, sondern eher als für ihn beglückende Reisen in die Traum-Gefilde von Swifts „Gullivers Reisen“ und Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“.

Klapheck war eher ein verfrühter Pop-Artist und zugleich Surrealist. Er mischte einfach die irritierende Überwirklichkeit des Surrealen, weswegen André Breton ihn 1965 sogar zur letzten Ausstellung der Surrealisten einlud und Klaphecks „erotische Beziehungen von Mensch und Maschine“ rühmte, mit dem Banal-Populären der Pop-Art. Aber seinen Apparaten und gemalten Segnungen der Konsumwelten im Wirtschaftswunderland fehlte stets ein entscheidendes Detail, um überhaupt funktionieren zu können. Und so schallt aus Klaphecks Synkretismus zweier großer Stile des Jahrhunderts der Moderne immer ein zweiflerisches Lachen.