Akademie der Künste

Menschenfett und Leichenwaschwasser: Teresa Margolles wird mit dem Kollwitz-Preis geehrt

Die mutige Künstlerin prangert auf ungewöhnliche Weise die alltägliche Gewalt und das Sterben in ihrer Heimat Mexiko an. Jetzt wird sie von der Akademie der Künste geehrt.

Teresa Margolles mit einem Kunstwerk aus Tüchern zum Leichentransport
Teresa Margolles mit einem Kunstwerk aus Tüchern zum LeichentransportIMAGO/Rene Traut

Viele Leute mögen Kunst, wenn sie schön ist, harmonisch und beglückend. Für Teresa Margolles aus Mexiko-Stadt kann das nur die eine Seite ihrer Arbeit sein, wenn sie „den Staub des Alltags von der Seele spült“, wie Picasso es mal sagte. Die Mexikanerin, geboren 1963, verweist eher auf die düstere Seite des Lebens, gerade in ihrem Land. Seit Jahren sind die Ursachen und Folgen von Kriminalität, politischer Verfolgung, Tod, Zerstörung, Vertreibung, Diskriminierung, Elend und Gewalt ihr Thema.

Soeben teilt die Akademie der Künste Berlin mit, dass der Käthe-Kollwitz-Preis 2026  (Dotation 12.000 Euro) aus diesem Grund an Teresa Margolles geht. Wie diese Kunst aussieht, was sie der Welt zu sagen hat, das wird im Herbst im Haus der AdK am Pariser Platz zu sehen sein: „In der gegenwärtigen Wahrnehmung werden anonyme Opfer von Gewaltsystemen zu virtuellen Agenten. Ihre Stimmen bekommen in Margolles’ Werk einen signifikanten Platz“, so die Jury.

Margolles, die oft in Berlin weilt, auch wegen ihres DAAD-Stipendiums 2017, hatte hier schon 2002 in den Kunstwerken in der Auguststraße einen unvergesslichen Auftritt. Durch einen mit Leinentüchern behangenen Raum ließ sie Wasserdampf wabern. Manche Leute im Publikum fürchteten und ekelten sich und suchten das Weite, als sie erfuhren, dass dies kein Wellness-Event war, sondern ein spiritueller Akt.

Experimente mit dem Tod

Und eine Zumutung: Das (geruchlos) verdampfende Wasser stammte von Leichenwaschungen, von Gewaltopfern aus Mexikos Banden- und Drogenkriegen. Viele nahmen es als Spektakel: die Tiefe, der Schmerz, die Ohnmacht und die Mahnung aber trockneten mit den Tüchern. Damals herrschte in Berlins Kunstszene noch euphorischer Aufbruch. Und schier endloser Spaß.

London seit Herbst 2024: die Toten-Masken-Installation von Teresa Margolles
London seit Herbst 2024: die Toten-Masken-Installation von Teresa MargollesIMAGO/Krisztian Elek

Margolles, schon früh Mitglied des Untergrund-Kollektivs SEMEFO, das als Metal-Band auftrat und mit Kunst zum Thema Tod experimentierte, benutzte in späteren Arbeiten sogar menschliches Fett, etwa 2009 im mexikanischen Pavillon der Biennale Venedig. Auch im Fridericianum der Documenta-Stadt Kassel und auf der Manifesta 11 in Zürich 2016 waren ihre gewöhnungsbedürftigen Werke ausgestellt. Letztes Jahr setzte sie ihre riesige „Fourth Plinth“ auf den Londoner Trafalgar Square, einen Quader aus Masken, welche die Zahl der Morde an Transpersonen auf der ganzen Welt symbolisiert.  Die Masken verfallen durch Wind, Wetter, Straßenschmutz. Übrig bleibt, was Margolles will: ihre „Mauer des Widerstands“.