Passionszeit

Verdrängte Berlin-Geschichte: Die Nägel der Zwangsarbeiterbaracken vom Tempelhofer Feld

Eine rostige Angelegenheit am Altar von St. Matthäus: Sonya Schönberger erinnert an Gewalt und Unrecht mitten in Berlin. Warum sich die Ausstellung jetzt so sehr lohnt.

Bitte betreten! Archäologische Nägel auch als Altarbild Sonya Schönbergers
Bitte betreten! Archäologische Nägel auch als Altarbild Sonya SchönbergersVG Bild-Kunst, Bonn 2025/Sonya Schönberger/Foto: Leo Seidel

Es knirscht unter den Füßen. Es soll knirschen, möglichst viele Füße sollen drübergehen, große und kleine. Als Spur der Erinnerung! Die Berliner Künstlerin Sonya Schönberger hat 13.000 rostige Nägel im Altarraum der Kunst-Kirche St. Matthäus auf einem riesigen Stahlblech verstreut zu einem rostroten Erinnerungsfeld voller stummer Zeitzeugen. Denn lebende gibt es heutzutage, 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945, kaum noch.

Nägel – seit zweitausend Jahren christliches Symbol für den am Karfreitag ans Kreuz geschlagenen Jesus, erinnern an ein Unrecht, an Opfer und Täter mitten in Berlin: Am Tempelhofer Feld standen ab 1941  Holz-Baracken eines Lagers, darin sowjetische Zwangsarbeiter. Sie schufteten in der Rüstungsproduktion der Lufthansa und dem Weser-Flugzeugbau. Archäologen des Landesdenkmalamtes und der Freien Universität gruben von 2012 bis 2014 auf dem Gelände. Sie verwahrten die oxidierten Nägel, die einst die Bretter der hastig abgerissenen Lager-Baracken zusammenhielten.

Berliner Zeitung

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