Es ist West-Berliner Kunstgeschichte um 1980: große Leinwände, leuchtende Farben, gestische Pinselstriche, Figuren mit revoltierender, ungezähmter Lebenslust, riesige Gemeinschaftsbilder. Es war das Markenzeichen der „Neuen Wilden“, der „Boys vom Moritzplatz“, einer Selbsthilfegalerie von Rebellen namens Rainer Fetting, Salomé, Luciano Castelli, Helmut Middendorf, Bernd Zimmer und der einzigen Frau dieser Szene, Elvira Bach, Malerin der ironischen „Küchenbilder“.
Sie alle hatten rasch begeisterte Fans wie erbitterte konservative Feinde, denn mit ihrer Punk-Attitüde malten sie gegen die den Kunstmarkt dominierenden Strömungen an, wie Concept Art und Minimalismus. Bach und Salomé wurden auf die Documenta 7 eingeladen, Castelli und Salomé gründeten im Club Dschungel die Punkband Geile Tiere.

Zudem wurden Fetting und Salomé aus dem Stand zu Ikonen der Schwulenbewegung, denn sie malten – in einer Zeit, als der Paragraf 175 zwar im Jahr 1969 gemildert, aber erst 1994 vom Bundestag endgültig getilgt wurde (die DDR strich ihn 1988) –, was sie unter „freier Liebe“, unter Diversität und Emanzipation verstehen. Schon Jahrzehnte vor der heutigen LGBTIQ-Bewegung also zwangen Salomé und seine Malgefährten die Gesellschaft, sich mit Themen wie Geschlecht, Identität und Freiheit auseinanderzusetzen.

Die Mitte-Galerie Deschler gratuliert Salomé mit einer Bilderschau zum 70. Geburtstag. Der gelernte Bauzeichner kam aus Karlsruhe nach Berlin zum Studium an der HdK und heißt eigentlich Wolfgang Ludwig Cihlarz, benannte sich nach der verführerisch tanzenden Tochter der Herodiade aus dem biblischen Mythos. Er war Meisterschüler von Karl-Horst Hödicke. In der Geburtstagsschau sehen wir eine Reihe seiner frühen Werke, die Körperlichkeit, freie Sexualität, Spiele mit Geschlechterrollen (er in Frauenkleidern) thematisieren.
Unübersehbar ist Salomés Stil verbunden mit dem der Brücke-Expressionisten nach 1905 mitten im konservativen Kaiserreich. Und ebenso mit der Geschichte der Frontstadt Berlin in den 1970er- und 1980er-Jahren. Rückhaltlos brachen er und seine Gefährten mit den damals vorherrschenden Tabus der Bürgerlichkeit und feierten mit Farbintensität, Ausdruckskraft und atmosphärischer Schönheit die Nacktheit von Männern wie Frauen.
Vertikale und horizontale Linien betonen Dynamik in fast abstrakten Räumen. Und manchmal verstrahlen Salomés Farbtöne von Hellblau, Gelb und Rosa, gerade die Seerosenschwimmer-Bilder der 1990er-Jahre, eine Eleganz, die an David Hockney denken lässt und in der Salomé Impressionismus und Expressionismus harmonisch vereint.
