All das, was die zornigen jungen Frauen und Männer der Aktivistengruppe „Aufstand der Letzten Generation“ inzwischen landes- und europaweit kritisieren, kann ich, ein Kind der Nachkriegszeit, dick unterschreiben, so wie auch die „Fridays for Future“-Aktionen meine Sympathien haben. Die junge Generation hat alles Recht der Welt, wegen ihrer von der Klimakatastrophe bedrohten Zukunft zu protestieren. Gegen die ungebremste Gier des Kapitals, die bedenkenlose Ausbeutung der Natur-Ressourcen.
Was mich allerdings irritiert und zunehmend mehr verschreckt als amüsiert, ist dieses aktionistische Trend-Muster, diese nachgerade kindische Mimesis oder Mimikry, die sich in immer kürzeren Abständen ausgerechnet auf Werke der Weltkunstgeschichte mit Unesco-Siegel spitzt, auf ganz alte, unwiederbringliche Gemälde, die geschützt werden müssen wie die Natur, wie die bedrohten Öko-Systeme der Erde. Selbstredend müssen diese berühmten Kunstwerke nur herhalten, um Aufmerksamkeit zu generieren.
Protestler attackieren zwar nicht die Leinwände oder Holztafeln. Sie kleben sich „nur“ an den historischen Rahmen fest, wie sie sich vorher wochenlang auf dem Asphalt der Avus, an deren geplanten Verlängerungen festklebten. Autofahrer, gestresste Pendler, Versorgungsfahrzeug-Lenker et cetera waren genervt und verärgert. Und sind seither leider gegen die Bewegung aufgebracht. So gewinnt man halt keine Verbündeten in der mobilen oder arbeitstechnisch zur motorisierten Mobilität gezwungenen Bevölkerung. Im Gegenteil.
Und nun sollen Museumsdirektoren, Museumswärter, Leihgeber und natürlich auch alle Kunstliebhaber vor den Aktionisten zittern? Im Pariser Louvre musste kürzlich da Vincis „Mona Lisa“ herhalten, vor wenigen Tagen Raffaels „Sixtinische Madonna“ in der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister. Vorgestern landeten die Klebefinger der Aktionisten auf dem Rahmen der „Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe“ von Nicolas Poussin im Frankfurter Staedel. Und eben traf es die Berliner Gemäldegalerie, im den Saal des deutschen Renaissancemeisters Lucas Cranach des Älteren - dessen „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“.
Die beiden Mädchen mit ihrem Protestplakat standen wie alle ihre Mitstreiter:innen bei diesen musealen Auftritten brav links und rechts des Rahmens, aber eben angekleistert, was dem Gemälde selbst nichts ausmacht, aber für öffentliche Erregung sorgt und eben auch schon den Straftatbestand erfüllt. Bemerkenswert immerhin, dass die Protestlerinnen sich in die Kunst- und Theologiegeschichte vertieft haben, wo das Gemälde Maria, Josef und das Jesus-Knäblein auf der Flucht darstellt. Die Aktivistinnen verweisen auf die Parallelsituation. Die Klimakrise treibe Millionen Mensch zur Flucht. Sie fordern ein konsequentes Umdenken.
Das wollen alle vernünftigen Leute. Darum verstehe ich nicht, warum die aufständische „Letzte Generation“ mit ihren infantilen Skandälchen immer nur, wie es im alten Sprichwort heißt, den Sack schlägt, aber nicht den Esel. Warum gehen sie gegen gestresste Leute im Straßenverkehr, gegen unschuldige alte Bilder vor?


