Streaming

„Bridgerton“-Prequel „Queen Charlotte“: Antirassismus auf Befehl

Charlotte zu Mecklenburg-Strelitz wird die erste schwarze Königin von England. Queen Charlotte gibt den Fans, was sie wollen und lüftet ein großes Geheimnis.

Sie nennt es deformiertes Kaninchen, doch es ist ein Zwergspitz: Königin Charlotte (India Amarteifio) mit ihrem Palasthaustier. 
Sie nennt es deformiertes Kaninchen, doch es ist ein Zwergspitz: Königin Charlotte (India Amarteifio) mit ihrem Palasthaustier. Liam Daniel/Netflix

Die bestellte Ehefrau wird aus Mecklenburg-Strelitz per Kutsche nach England geliefert, festlich verpackt in ein Korsett aus Walfischknochen unter einem Seidenkleid mit 200 Jahre alter Spitze und indischen Saphiren. Die Lieferung geht an den englischen König George III., ein Überraschungspaket, das dieser erst vor dem Altar betrachten soll.

Charlotte (India Amarteifio), so heißt die bestellte Braut, deren Bruder den Vertrag ohne ihr Einverständnis unterzeichnet hat, wird in England zunächst bei der Königinmutter (Michelle Fairley) vorstellig, die irritiert reagiert, als sie der Königin in spe mit angelecktem Finger über die Wange streicht. Färbt da gar nichts ab? Wieso ist die junge Frau so braun? Die Leute werden reden! Die Berater empfehlen, die Hochzeit abzusagen, doch die Mutter des Bräutigams lehnt ab: „Wir sind der Palast. Ein Problem ist nur ein Problem, wenn der Palast sagt, es ist ein Problem.“ Um den Anschein zu vermeiden, hier sei der Krone ein Fehler unterlaufen, wird kurzerhand ein „Großes Experiment“ ausgerufen, und prominente schwarze Menschen erhalten einen Adelstitel.

Das Unkraut gehört dazu

Nach der ersten halben Stunde der sechsteiligen Prequel-Serie „Queen Charlotte“ ist also das Geheimnis von „Bridgerton“, einer der erfolgreichsten Netflix-Serien aller Zeiten, um die Liebschaften des diversen Hofstaats der ersten schwarzen Königin von England aufgeklärt. Von sogenanntem Colorblind Casting, bei dem Schauspieler ungeachtet ihrer Hautfarbe engagiert werden, wie man es im Fall von „Bridgerton“ ohne Charlottes Vorgeschichte noch vermuten konnte, kann hier folglich keine Rede sein. Stattdessen erzählt die  Autorin und Showrunnerin Shonda Rhimes eine Utopie, in der auf Befehl der Krone Rassismus im vorviktorianischen England mal eben innerhalb von wenigen Jahren ausgemerzt wird. Das kann man problematisch finden, ebenso wie die Tatsache, dass Rhimes einer schwarzen Ärztin in ihrer erfolgreichen Krankenhausserie „Grey’s Anatomy“, die bei dem Sender ABC bald in die zwanzigste Staffel geht, den Spitznamen „The Nazi“ verpasst hat. Man kann es aber auch als progressiven Akt betrachten, der den Zuschauern einen Missstand nicht gewahr macht, indem man ihn zeigt, sondern indem man zeigt, wie schön es doch sein könnte, gäbe es ihn nicht.

Was nicht heißt, dass das „Bridgerton“-Universum frei von Problemen wäre, allen voran grassiert die Misogynie. Hier bleibt Shonda Rhimes, die Netflix 2017 mit einem Exklusivvertrag für geschätzte 150 Millionen Dollar an sich gebunden hat – mittlerweile soll sich das Gehalt dank Erfolgsboni mehr als verdoppelt haben –, historisch korrekt. Homosexualität ist ebenfalls ein No-Go. Und auch Probleme mit der mentalen Gesundheit sind verpönt. George III. (Corey Mylchreest) leidet unter Panikattacken, manchmal hört er Stimmen und ist stundenlang nicht ansprechbar. Da sich sein Zustand immer schwerer geheim halten lässt, wird schließlich ein zwielichtiger Arzt engagiert, der ihn mit Foltermethoden therapieren will. In der Folge droht die Ehe des Königspaares zu scheitern, noch bevor der erste Erbe auf die Welt gekommen ist. Der Produktionsprozess ebendieses wird übrigens in bewährter „Bridgerton“-Manier ausschweifend inszeniert. Denn am Ende bleibt auch im Prequel die allesüberstrahlende Botschaft, dass sich mit Liebe noch jedes Problem lösen lässt.

Shonda Rhimes kennt ihr Publikum und serviert ihm eine großzügige Schmalzplatte, herrlich angerichtet mit Glitzer und Blumen, untermalt von Streichervariationen zeitgenössischer Popsongs. Und das großartige Ensemble kann in Bezug auf wiedererwachtes erotisches Begehren sogar Sätze sagen wie „Ich wünsche mir einen Gärtner, der sich mit Hingabe um meinen Garten kümmert“, ohne dass man auf der Stelle alles wieder hochwürgen möchte. „Was macht ein bisschen Wahnsinn, wenn echte Liebe blühen kann? Für die Königin gehört das Unkraut einfach dazu“, erklärt die engste Freundin ihrer Majestät irgendwann.

Die echte Königin Charlotte war übrigens tatsächlich eine leidenschaftliche Botanikerin. Gerüchte über ihre Hautfarbe und Herkunft kamen ab der Mitte des 20. Jahrhunderts auf, wurden wissenschaftlich jedoch weitgehend entkräftet.

Queen Charlotte. Miniserie, 6 Folgen, Netflix