Filmpremiere

Premiere von „Indiana Jones 5“ in Berlin: Aus amerikanischer Kunst wurde ein Museumsshop

Das Ende der Legende ist mit „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ erreicht. Bei der Deutschlandpremiere mit Harrison Ford wird das Nostalgie-Reservoir gefüllt.

Mads Mikkelsen, Harrison Ford, Thomas Kretschmann und Phoebe Waller-Bridge (v.l.n.r.) stehen auf dem roten Teppich bei der Deutschlandpremiere des Films „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ im Zoo-Palast in Berlin.
Mads Mikkelsen, Harrison Ford, Thomas Kretschmann und Phoebe Waller-Bridge (v.l.n.r.) stehen auf dem roten Teppich bei der Deutschlandpremiere des Films „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ im Zoo-Palast in Berlin.dpa

Woher weiß ein Maler, wann sein Bild fertig gemalt ist? Fehlt nicht hier noch ein Schattenpigment oder dort ein Pinselstrich? Woher weiß ein Schriftsteller, ob alle Kapitel da sind? Braucht es hier noch Sätze, muss noch ein Wort dorthin? Woher wissen wir, wann die Filmreihe „Indiana Jones“ ein Ende haben muss?

Am Donnerstag feierte im Zoo-Palast der fünfte und, wie unentwegt auf Plakaten und in Moderationen wiederholt wurde, letzte Teil der Saga Premiere: „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“.

Das gesamte Star-Ensemble war nach Berlin gekommen. Wobei es den mit Hüten und Peitschen verkleideten Fans, die frenetisch „Indy! Indy!“ schrien, nur um Harrison Ford ging. Ford ist tatsächlich synonym mit der Figur geworden. Undenkbar, dass ein anderer sie übernehmen könnte. Fast mehr noch als Indiana Jones spielt Harrison Ford nie so ganz mit. Vor Beginn der Vorstellung richtete er noch einige Worte an die Zuschauer und traf dabei einen fast zärtlichen Ton: „Wir arbeiten für Euch. Wir schätzen Euch. Danke.“

Den Bösewicht, ein Nazi-Wissenschaftler, der das Rad des Archimedes/Schicksals stehlen will, um damit in die Vergangenheit zu reisen und Hitler zu töten (Der Führer hat zu viele Fehler gemacht), verkörpert der dänische Alkohol-Mime („Der Rausch“) und Privatraucher Mads Mikkelsen. Die weibliche Hauptrolle übernimmt die Britin Phoebe Waller-Bridge („Fleabag“). Im Film ist sie Jones’ Patentochter, die die seltensten Kunstschätze der Welt mit Brillanz und Fortune erbeutet und für sehr wenig Geld verkaufen möchte. Außerdem hat die promovierende Archäologin einen zehnjährigen Jungen bei sich, den sie zum Dieb ausbildet und immer wieder dem Tode weiht.

Der neue „Indiana Jones“-Film will es den Fans recht machen

Und so widersprüchlich diese Beschreibungen sich anhören, so ist auch der Film. Ein Flickenteppich geknüpft aus manch guter Idee, vielen Schablonen, zahllosen Anspielungen auf die Vorgänger und voller Löcher. Es ist schon witzig, wenn ein zeitreisender Nazi römische Belagerer der Stadt Syrakus (Sizilien) im Jahr 213 vor Christus aus einem Flugzeug mit einem Maschinengewehr niedermäht und dabei schreit „Sterbt, ihr Hunde!“ Aber im Großen und Ganzen will der Film es vor allem den Fans recht machen, indem die Ursprungs-Ingredienzien (viele Hakenkreuz-Flaggen), Faustschläge mit dem Sound von Peitschenhieben und Cameos alter Bekannter abgespult werden. Wer ehrlich ist, muss gestehen: Wäre das der erste „Indiana Jones“, er würde floppen.

Als die Figur in den frühen 1980er Jahren von George Lucas geschaffen wurde, war sie unerhört. Kein Superheld, Geheimagent, Casanova oder Kampfsportler wie die Stars des Blockbuster-Kinos bis dahin, sondern ein Archäologieprofessor, der in den Semesterferien außerhalb der USA nach den versunkenen Schätzen der alten Welt sucht – um sie in amerikanische Museen zu bringen.

Doch mittlerweile bedient das Franchise vor allem eine Sehnsucht nach den 1990er-Jahren, in der Millionen Kinder und Jugendliche die Filme verschlangen. Auf ProSieben und RTL lief damals zu Movie-Marathons wie „Tödliche Ostern“ oder den Radeberger-Filmfestspielen irgendwann um 22.15 Uhr „Der letzte Kreuzzug“ und morgens um 3 Uhr noch einmal.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bekundete im Foyer, eines seiner ersten Computer-Spiele sei ein 2D-Indiana-Jones-Titel gewesen. Gemeinsam mit seiner Parteikollegin Dorothee Bär war er auf der Premiere zu Gast. Neben den beiden war auch Otto Waalkes in blauer Tracht auf dem roten Teppich. Alles ziemlich 90er eben.

Alexander Dobrindt und Dorothee Bär auch in der Sitzungswoche Zeit für „Indiana Jones“
Alexander Dobrindt und Dorothee Bär auch in der Sitzungswoche Zeit für „Indiana Jones“AFP

Doch der Traum der Indiana-Jones-Reihe, als Entdecker weiße Flecken auf der Landkarte zu berühren, träumt sich heute nicht mehr so leicht. Eine Welt, deren Erschließung und Ausbeutung durch den Menschen so umfassend geworden ist, hat keinen Platz mehr für vergessene Dschungelzivilisationen und Katakombenlabyrinthe. Käme Indy jetzt an den Tempel des Todes, die Plastiktüten wären schon da.

Wer böse sein will, kann eine Szene vom Ende für metaphorisch halten. Marion Ravenwood, seine Geliebte aus „Jäger des verlorenen Schatzes“ und spätere Ehefrau befragt Indiana zu einer Schusswunde, aber man könnte auch denken, der Film ist gemeint: „Wie sieht es aus? Es tut weh. Wo tut es weh? Überall.“

Doch bei aller Kritik an den Schwächen des Kunstwerks. Vielleicht ist das der falsche Anspruch an „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“. Früher waren die Filme Kunst, heute sind sie eben Museumsshop. Und dort decken sich die Menschen nun mal mit Souvenirs ein.