Sie hätten es wohl nicht tun müssen. Das Verteidigungsministerium hatte schon ein Referendum angedacht, um zu ermitteln, ob es für diese sieben populärsten Musiker des Landes eine Ausnahme geben sollte.
Und laut Umfragen hätte die Mehrheit dann wohl entschieden, dass sie den Gang in die Kaserne nicht tun müssen. Schließlich werden auch Sportlerinnen und Sportler, die Goldmedaillen für Südkorea gewinnen, von der Pflicht ausgenommen. Über Monate hielten diese Diskussionen an.
Nicht das Ende der Boygroup
Doch Anfang der Woche erklärten die Mitglieder von BTS, der mit Abstand beliebtesten Gruppe der südkoreanischen Popmusik und auch eine der populärsten weltweit: Zum Militärdienst, den prinzipiell jeder Mann für rund 20 Monate leisten muss, wollen sie sich genauso melden wie alle anderen Südkoreaner. Jin, der älteste der sieben Sänger, wird im Dezember 30 und in Kürze als Erster zum Dienst antreten. Seine sechs Kollegen werden ihm nacheinander folgen.
Seit der Beschluss am Montagabend südkoreanischer Zeit verkündet wurde, ist das ostasiatische 52-Millionen-Land aufgewühlt. Längst nicht nur jugendlich orientierte Medien berichteten groß über das Thema – auch konservative Tageszeitungen mit älterer Leserschaft diskutieren die Angelegenheit. Die führende Nachrichtenagentur Yonhap veröffentlichte zuerst eine Eilmeldung, in der sie die bloße Nachricht verkündete, um kurz darauf in einem separaten Artikel zu fragen: „Warum hat BTS entschieden, den Militärdienst zu machen?“
Während auf Twitter in Südkorea Botschaften trendeten wie „Wir werden auf euch warten“ und „bis 2025“, drang zugleich aber auch die Nachricht durch, dass dies nicht das Ende der Boygroup bedeute. BTS-Mitglied RM, der als Anführer der Truppe gilt, hatte schon am Samstag auf einem Konzert im südkoreanischen Busan erklärt: „Was immer mit uns geschieht, wenn wir sieben dasselbe wollen und ihr uns traut, werden wir gerne unsere Musik und unsere Karriere fortführen. Bitte vertraut uns!“
Was auf Millionen Fans weltweit wie ein überraschender Entschluss aussehen mag, hat sich tatsächlich über die letzten Monate angedeutet. Bereits im Sommer verkündete BTS, als Gruppe eine Pause einzulegen, damit sich die Mitglieder eine Zeit lang auf ihre Solokarrieren konzentrieren könnten. Kurz darauf erklärte der Verteidigungsminister Lee Jong-sup, dass BTS prinzipiell auch dann Auftritte geben können, wenn sie gerade ihren Militärdienst leisten.
Durch die monatelange Hängepartie, mit der sogar die Politik vor den Karren gespannt wurde, hat die Boygroup die Frage nach dem Militärdienst nun erfolgreich für ihre eigene PR genutzt. Denn in Südkorea, das seit dem dreijährigen Koreakrieg ab 1950 noch immer formal im Kriegszustand mit Nordkorea verharrt, ist der Militärdienst höchst unbeliebt. Er gilt deshalb aber auch als patriotisches Opfer für die Gesellschaft – das die BTS-Mitglieder nun zu erbringen scheinen.
Dabei wird sich die Story eines Superstars, der sich mit anderen Rekruten ein Zimmer teilt, einen schmalen Lohn bezieht und in Camouflage den Umgang mit einer Waffe erlernt, gut vermarkten lassen. Das zeigte schon der US-amerikanische „King of Rock ’n’ Roll“ Elvis, der in den 1950er-Jahren seinen Militärdienst in Deutschland leistete und dadurch eher noch beliebter wurde. Zudem wird Jin, der als erstes BTS-Mitglied in die Kaserne ziehen wird, kurz zuvor noch ein Album veröffentlichen.
Milliardenschwerer Beitrag zur Volkswirtschaft
So dürfte die erfolgreiche Vermarktung der Gruppe – oder zunächst die ihrer einzelnen Mitglieder – kaum enden, sondern nur auf andere Weise weitergehen. Dies deutete auch die Reaktion der Finanzmärkte auf die Aktie von Hybe an, dem Unternehmen, das BTS vermarktet. Einen Tag nach der Nachricht über den anstehenden Gang in die Kaserne fiel der Wert des Papiers nicht etwa, sondern schloss den Handelstag mit einem Plus von fast fünf Prozent gegenüber dem Vortag. In der neuen Situation werden offenbar auch neue Möglichkeiten erkannt.
BTS, das seit 2013 zusammen ist und 2018 als erste koreanische Band die US-amerikanischen Albumcharts anführte, ist für Südkorea längst nicht nur deshalb bedeutend, weil es das Land weltweit kulturell bekannter gemacht hat. Eine Studie des Hyundai Research Institute schätzte den Beitrag, den die Gruppe jährlich zur südkoreanischen Volkswirtschaft leistet, kürzlich auf rund 3,5 Milliarden US-Dollar, zuzüglich indirekter Effekte von rund 1,3 Milliarden.
Dabei sind die BTS-Mitglieder auch Botschafter für die gesamte K-Pop-Szene, die seit den 90er-Jahren in diversen asiatischen Ländern beliebt ist und seit einigen Jahren eben auch weltweit junge Menschen begeistert. Analysten erwarten, dass koreanische Popmusik weiterhin wachsen wird. Das Unternehmen CT Investments, das vor Kurzem einen auf K-Pop spezialisierten Investmentfonds auflegte, sieht die ganze Branche erst in der „frühen Wachstumsphase“.



