Recycling

Ich muss Angela Merkel und Katja Hoyer widersprechen: Das war nicht nur in der DDR so!

Angela Merkel und die Historikerin Katja Hoyer beschreiben eine Recyclingtechnik als DDR-Trick. Stimmt nicht, sagt unsere aus dem Westen stammende Autorin.

Angela Merkel im Jahr 1994 beim Bügeln von Geschenkpapier. Das sei ein alter DDR -Trick, sagte sie.
Angela Merkel im Jahr 1994 beim Bügeln von Geschenkpapier. Das sei ein alter DDR -Trick, sagte sie.ullstein bild

Schon Angela Merkel behauptete, das Bügeln von Geschenkpapier sei ein alter Trick aus der DDR. Es gibt sogar ein wenig bekanntes Foto von ihr, auf dem sie es tut. Da war sie Umweltministerin. Das Bild stammt aus dem Jahr 1994, der Fotograf heißt Michael Ebner. Er machte die Aufnahme in Merkels Büro, hinter ihr steht ein mit roten Schleifen und Kugeln geschmückter Weihnachtsbaum.

Und nun ist die Geschichte vom Recyclingvorbild DDR von Katja Hoyer wieder aufgenommen worden. Sie ist Historikerin, stammt aus Guben, lebt in England, wo sie am renommierten King’s College forscht, und hat gerade das viel beachtete Buch „Diesseits der Mauer“ veröffentlicht, mit dem sie eine neue Geschichte der DDR erzählen will, eine, die sich auch dem relativ großen Bereich des Privatlebens widmet, „in dem man sein Leben gestalten konnte, ohne mit dem Staat in Konflikt zu geraten“, wie sie es im Interview mit der Berliner Zeitung sagte.

Gerade hat Katja Hoyer einen Text auf ihrem Blog „Zeitgeist“ veröffentlicht, in dem sie sich dem Recyclingsystem in der DDR widmet, es hieß Sero, kurz für Sekundär-Rohstofferfassung. Sie beginnt ihren Text mit einer Beschreibung davon, wie ihre Großmutter ein Geschenk öffnet, indem sie vorsichtig die Klebstreifen entfernt, das Papier sorgfältig faltet und zur Seite legt, bevor sie sich dem widmet, was darin eingepackt ist. Später habe sie das Papier sorgfältig gebügelt und zwar auf der untersten Hitzestufe.

Auch in der BRD wurde gestopft, geflickt und Geschenkpapier gebügelt

Als Kind habe sie gedacht, dies sei eine der merkwürdigen Verhaltensweisen ihrer Oma, schreibt Katja Hoyer. Rückblickend aber meint sie zu erkennen, dass das ein Produkt des Lebens ihrer Großmutter in der DDR gewesen sei. Genau wie Angela Merkel.

Sie liegen beide falsch, auch wenn Sero wirklich Vorbildcharakter hat, und es so etwas in der BRD nicht gab.  Aber ich, 1962 tief im Westen geboren, kann sagen, dass auch auf meiner Seite der Mauer gestopft, geflickt und Geschenkpapier gebügelt wurde. Meine Oma, meine Mutter und – ja – ich, sammelten und sammeln zudem Papiertüten vom Bäcker, die nützlich sein können, wenn man ein belegtes Brot einpacken möchte, wir sammeln Plastiktüten. Nachdem meine Großmutter gestorben war, fanden wir ganze Schubladen voll in einem ihrer Schränke.

Okay, ich bügle gebrauchtes Geschenkpapier nicht, aber ich muss zugeben: Unter meinem Bett steht ein großer Pappkarton, der voll davon ist. Gutes Papier, schön zusammengelegt, ohne die hässlichen weißen Risse, die bei billigem an den Stellen entstehen, an denen man es faltet. Ich krieg das einfach nicht aus mir raus. Und das 78 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.