Man genießt ein herrliches Panorama in San Casciano dei Bagni, einem verträumten Ort in der Toskana, in dem nur 1300 Einwohner zu Hause sind. Doch das kleine Dorf sorgte diese Woche für große Schlagzeilen. In einer der 42 Thermalquellen, für die San Casciano bekannt ist, verbarg sich für mehr als 2000 Jahre ein riesiger, kultureller Schatz: 24 Bronzestatuen aus der Antike.

Die Thermalquellen sind ungefähr 40 Grad heiß und befördern täglich 5,5 Millionen Liter Thermalwasser und Schlamm an die Oberfläche. Laut antiken Sagen nutzten sogar schon die Etrusker und die Römer besagte Quellen. Der neueste Fund, der vergangenen Dienstag von den zuständigen Archäologen öffentlich gemacht wurde, bestätigt diese Vermutung: Die Skulpturen stammen aus der etruskischen und römischen Zeit – eine echte Sensation, denn Bronzestatuen aus der Antike sind heutzutage eine Seltenheit. Die meisten wurden schon längst wieder eingeschmolzen und die Rohstoffe zu etwas Neuem weiterverarbeitet.
Die etruskische Kultur lässt sich ungefähr auf den Zeitraum 800 vor Christus bis 100 nach Christus datieren. Es ist nur noch wenig Kulturgut aus dieser Zeit erhalten. Dass die Statuen sich einem so guten Zustand befinden, liegt an ihren besonderen Lagerbedingungen: sie waren für tausende Jahre luftdicht eingeschlossen, in heißem Schlamm. Unterdessen fand man neben den 24 Statuen auch über 5000 Bronze-, Silber- und Goldmünzen sowie andere Votivgaben.
Jacobo Tabolli ist der für die Ausgrabungen verantwortliche Archäologe: „Die Entdeckung wird Geschichte schreiben“, sagt er. Ein paar der Statuen seien bis zu einem Meter hoch. Laut Dirk Steuernagel, einem Etrusker-Experten, habe es noch nie zuvor einen so umfangreichen, zusammenhängenden Fund von Bronzeskulpturen derart unterschiedlicher Formate gegeben.

Laut Forschern ist das der bedeutendste Statuenfund seit 1971
1971 gab es eine Entdeckung von ähnlich großer Bedeutung. An der Küste der italienischen Provinz Kalabrien wurden zwei griechische Statuen aus der Mitte des fünften Jahrhunderts vor Christus entdeckt, die Bronzestatuen von Riace. Doch gerade die etruskische Geschichte ist heute noch sagenumwoben und größtenteils ungeklärt. Das liegt unter anderem daran, dass die etruskische Sprache keine Übereinstimmung mit anderen Sprachen der antiken Welt zeigt.
Umso mehr hoffen die Archäologen auf neue Erkenntnisse durch die nun entdeckten Kunstwerke. Nach der Eroberung durch die Römer soll die etruskische Kultur schrittweise in die römische übergegangen sein; an den Fundstücken aus dem Thermalbad erkenne man, dass das etruskische Heiligtum nicht aufgegeben wurde, sondern durch römische Götter und Gebräuche ergänzt worden sei, meint Dirk Steuernagel.
