Tom, 42: Seit dem Abitur habe ich zielstrebig auf eine Karriere als Arzt hingearbeitet – mit Erfolg. Ich bin heute in leitender Position in einem großen Krankenhaus beschäftigt und war mit meinem Leben sehr zufrieden, bis meine Freundin und ich vor drei Jahren Zwillinge bekommen haben. Ich hätte nie erwartet, wie sehr ich in der Vaterrolle aufgehen würde, wie viel Freude mir die Zeit mit den Kindern bereiten würde, trotz des Stresses, Schlafmangels etc. Das geht so weit, dass ich mich immer wieder bei dem Gedanken ertappe, meine Karriere an den Nagel zu hängen und Vollzeit-Hausmann zu werden. Ist das nur ein Hirngespinst, oder kennen Sie Familienkonstellationen, in denen so ein Einschnitt erfolgreich funktioniert hat?
Lieber Tom, es ist schön, Menschen zu begegnen, die sich für das, was sie tun, begeistern. Du hast von deiner Entwicklung geschrieben, du hast dein Berufsziel erreicht – du magst deine Arbeit und hast Erfolg. Und nun hast du zwei Kinder, bist gern Vater, auch das macht dir Freude, und du hättest gern mehr davon. Dir ist das bewusst und du stellst dir eine wichtige Frage: Möchte ich eine Zeit lang voll für meine Kinder da sein und wenn ja, wie kann das gehen?
Du wirst nach der Auszeit ein anderer Arzt sein
Diese Thematik taucht bei Paaren in meiner Praxis immer wieder auf – auch Hausmänner sind dabei. Manchmal wird diese noch seltene Entscheidung dann getroffen, wenn die Frau mehr oder ausreichend gut verdient.
Inzwischen gibt es immer mehr Väter, die viel Zeit mit ihren Kindern genießen, die Care-Arbeit übernehmen und auch nachts aufstehen und das sehr gerne tun. Die auch Elternzeit nehmen oder, wenn sie nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommen, sich mit einem fröhlichen Gesicht ihren Kindern zuwenden. Und es gibt auch immer mehr Männer, die sich nach Trennungen für das Wechselmodell entscheiden und das sehr gut machen, auch neben ihren Jobs.
Väter sind keine Mütter. Sie machen oft alles ein wenig anders – und trotzdem genauso gut. Für Kinder ist richtig, was für die Eltern stimmt. Ich erinnere mich gern an meinen Vater, er war Musiker, hat viel gearbeitet und kam oft spät nachts nach Hause. Ich habe immer im Halbschlaf seinen Schlüssel im Schloss gehört und wusste dann: Er kommt und gibt mir ein Küsschen. Dann habe ich wohlig weitergeschlafen. Er war ein guter Vater.


