Trällern in Turin

Eurovision Song Contest: Das sind die beklopptesten Auftritte des ESC 2022

Dienstagabend findet das erste ESC-Halbfinale statt. Nachdem die Gaga-Auftritte im Vorjahr etwas zu kurz kamen, sind sie diesmal in voller Schönheit zurück.

Von Wölfen und Bananen handelt der norwegische ESC-Beitrag des Duos Subwoolfer.
Von Wölfen und Bananen handelt der norwegische ESC-Beitrag des Duos Subwoolfer.Imago/Paul Bergen

Am Dienstagabend ist es so weit: Der Eurovision Song Contest ist zurück, das erste Halbfinale geht um 21 Uhr in Turin, Italien los. Im Laufe des Abends und des zweiten Halbfinales am Donnerstag werden aus 40 Ländern 20 ausgewählt, die dann im großen Finale am Sonnabend um den Titel singen dürfen.

Gute Chancen auf eine Top-Platzierung haben einige Länder. Schon 2021, als die italienische Rockband Måneskin mit „Zitti e buoni“ den Wettbewerb gewann, merkten die Kommentatoren an, dies sei ein Jahr mit ziemlich vielen hochqualitativen Songs mit Gewinn-Potenzial gewesen – vom französischen Chanson „Voila“, der auf dem zweiten Platz landete, bis hin zum ukrainischen Beitrag „Schum“ mit harten Techno-Beats und Folk-Einschlag. Dafür fehlte aber das, wofür der ESC gleichermaßen geliebt und gehasst wird: Der Kitsch, die sinnbefreiten Texte, die Momente, in denen man sich einfach nur fragt: „Was ist denn hier los?“

Diesbezüglich gibt es für 2022 gute Nachrichten: Im diesjährigen Wettbewerb sind all diese wesentlichen Komponenten des ESC in ganzer Schönheit zurück. Wir haben hingeschaut und stellen die vier verrücktesten Momente des diesjährigen ESC vor, für die es sich auf jeden Fall lohnt, einzuschalten.

1. Lettland – Citi Zēni, „Eat Your Salad“

Es ist eine traurige Wahrheit: Unserem Planeten geht es nicht gut. Die Polkappen schmelzen, immer größere Teile der Welt werden regelmäßig von Waldbränden heimgesucht, und Expertenberichte geben deprimierende Ausblicke darauf, wie das Leben auf unserem Planeten schon in den nächsten Jahrzehnten aussehen könnte. Aber wozu ist der ESC da, wenn nicht, um uns von solchen Dingen abzulenken?

Darum geht es in der bunten Performance der lettischen Band Citi Zēni und ihrem Song „Eat Your Salad“. Hey Kids, heißt es in dem Lied, Umweltfreundlichkeit ist cool – und auch sexy. Die allererste Zeile des Lieds („Instead of meat, I eat veggies and pussy“) darf die Band nicht wie geschrieben aufführen – denn offiziell ist der ESC eine Show für die ganze Familie. Die unzensierte Version des Songs kann man hier für die beabsichtigte Wirkung hören. Die explizite Zeile hat das Lied schon bei TikTok berühmt gemacht – so macht man ESC-Vorkampagnen im Jahr 2022.

2. Norwegen – Subwoolfer, „Give That Wolf A Banana“

Der norwegische Song „Give That Wolf A Banana“ hat irgendwie alles: von der Darstellung bis zum Textinhalt ein völlig bizarrer Auftritt auf dem Niveau der lettischen Combo Pirates of the Sea oder der irischen Truthahnpuppe Dustin the Turkey von 2008, aber mit einem Hauch von Mystik. Bei allen Bühnenproben und Auftritten vor der Presse werden die Gesichter von „Keith und Jim“, den zwei Mitgliedern des Duos Subwoolfer, mit gelben Wolfsmasken verdeckt. Ist das alles ernst gemeint – und wer steckt dahinter?

In der ESC-Fan-Community wurde bereits gemunkelt, das norwegische Comedy-Duo Ylvis, das 2013 den Viral-Hit „What Does The Fox Say“ gelandet hatte, könnte die kreative Kraft hinter Keith und Jim sein. Andere sind nicht so überzeugt, hoffen aber, dass die beiden bis zum Ende dieser Woche ihre wahre Identität bekannt machen werden – ob sie nun gewinnen oder nicht.

3. Serbien – Konstrakta, „In corpore sano“

Im Jahr 2020 musste der ESC wegen der Corona-Pandemie ausfallen und auch 2021 hinterließ das Virus seine Spuren auf dem Wettbewerb: Zwei Länder konnten coronabedingt nicht persönlich in Rotterdam auftreten, die gastgebende Arena konnte nur zur Hälfte besetzt werden. In diesem Jahr ist glücklicherweise alles deutlich lockerer – was natürlich nicht heißt, die wichtigsten Maßnahmen gegen das Virus dürfen vergessen werden. Dafür ist das serbische Lied „In corpore sano“ da.

Die Sängerin Konstrakta wäscht sich während der gesamten drei Minuten des Songs die Hände. Die Botschaft dahinter ist klar: Der Refrain des serbischsprachigen Liedes lautet „biti zdrava“ (gesund sein) und hat das Potenzial, auch den Titel des eingängigsten Ohrwurms beim diesjährigen ESC zu gewinnen. Dem aufmerksamen Zuhörer wird auch in der ersten Zeile ein berühmter Name auffallen: „Was ist das Geheimnis hinter Meghan Markles gesundem Haar?“, fragt sich Konstrakta. Denn eigentlich ist das Lied ein Kommentar zur gesellschaftlichen Besessenheit vom äußeren Erscheinungsbild der Gesundheit, obwohl es einem gleichzeitig im Kopf vielleicht nicht so gut geht. Tiefsinnigkeit kann also auch drin sein im ESC.

4. San Marino – Achille Lauro, „Stripper“

Es steht im Namen, der ESC ist ein Song Contest, ein Musikwettbewerb – aber jeder, der diese Sendung kennt, weiß genau, dass mit einem guten Song allein noch gar nichts geschafft ist. Auch die Präsentation ist ganz wichtig: Denken wir zum Beispiel an den australischen Song von 2019, „Zero Gravity“, der von der Opernsängerin Kate Miller-Heidke auf einer fünf Meter langen, schwankenden Stange aufgeführt wurde, oder ans britische Gewinnerlied „Making Your Mind Up“ von 1981, bei dem das Herunterreißen der langen Röcke der zwei Sängerinnen so berühmt ist wie der Song selbst.

Das Prinzip hat auch Achille Lauro, der Teilnehmer für San Marino, verstanden. Erste Bilder aus den Bühnenproben in Turin zeigen, wie der Italiener seinen Song „Stripper“ von einem mit rotem Samt bedeckten mechanischen Bullen aus vorführt. Zu seinem Bühnenoutfit gehört ein schwarzer Cowboyhut mit Pailletten – und die Hörner des Bullen sind mit silbernem Glitter bedeckt. Eigentlich ist es jetzt schon egal, was man von dem Song hält – ein ikonischer Moment auf der Eurovisionsbühne ist bereits geboren.

Das erste Halbfinale des Eurovision Song Contest 2022 ist am Dienstag, 10. Mai ab 21 Uhr im Ersten zu sehen (mit Kommentar von Peter Urban). Im zweiten Halbfinale am Donnerstag, 12. Mai darf das deutsche Fernsehpublikum abstimmen, welche Länder neben dem für Deutschland singenden Malik Harris und den anderen „Big Five“-Ländern, die direkt qualifiziert sind, im großen ESC-Finale am Sonnabend, 14. Mai auftreten werden.