Interview

Genderverbot durch den Zwickauer Stadtrat: Das sagt der Theaterintendant

Kulturkampf in Sachsen: In städtischen Betrieben darf nicht gegendert werden. Angestoßen wurde der Beschluss durch einen AfD-Antrag. Das Theater Plauen-Zwickau wehrt sich.

Yasmin Dengg und Philipp Rosenthal in dem Stück „Die gestiefelte Katerina“, das am 8. Juli im Theater Plauen-Zwickau Premiere hat.
Yasmin Dengg und Philipp Rosenthal in dem Stück „Die gestiefelte Katerina“, das am 8. Juli im Theater Plauen-Zwickau Premiere hat.Andre Leischner

Der Stadtrat hat den städtischen Beschäftigten und den Eigenbetrieben das Gendern mittels Unterstrich, Genderstern und Doppelpunkt untersagt. Das Theater Plauen-Zwickau reagierte umgehend: Das Verbot sei der untaugliche Versuch, eine Debatte, welche die gesamte Gesellschaft beschäftigt, zu beenden. Die Berliner Zeitung bekam den Intendanten Dirk Löschner ans Telefon.

Wo und wie gendert denn Ihr Theater, Herr Löschner?

Wir gendern mittels Doppelpunkt in unseren Publikationen, im Spielzeitheft zum Beispiel, und auf unserer Homepage. Und genau das ist Gegenstand des Anstoßes. Erst bei der AfD, die einen Antrag nur gegen das Gendern beim Theater stellte. Der wurde in erweiterter Form von den Freien Wählern, CDU und FDP unterstützt: Das Gendern mittels Unterstrich, Genderstern und Doppelpunkt wurde den städtischen Beschäftigten und den Eigenbetrieben untersagt. Und die Oberbürgermeisterin soll das bei Beteiligungen der Stadt – und dazu gehört das Theater – auch durchsetzen.

Und Sie wollen sich nicht daran halten?

Genau.

Warum nicht?

Weil wir uns nach unserem künstlerischen Konzept richten. Da sind wir auch durch die Kunstfreiheit geschützt, durch die Verfassung, und das lassen wir uns nicht durch einen Stadtratsbeschluss nehmen. Wir treffen unsere eigenen Entscheidungen. Wir sind noch nicht unmittelbar von dem Beschluss betroffen. Damit das für uns relevant wird, müssen die Oberbürgermeisterin von Zwickau und der Oberbürgermeister von Plauen in der Gesellschafterversammlung damit befassen, was sie sicher tun werden, und dann müssen sie uns eine entsprechende Weisung geben. Vielleicht setzen sich aber vorher noch mal mit dem Thema Kunstfreiheit auseinander und unterlassen das.

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Stefan Sauer/dpa
Zur Person
Dirk Löschner, geboren 1966 in Berlin, studierte von 1987 bis 1991 an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. In Berlin und Potsdam arbeitete er als Schauspieler und Regisseur. Löschner hat bereits an mehreren Theatern als Intendant gearbeitet, den Posten als Generalintendant am Theater Plauen-Zwickau hat er im August 2022 übernommen.

Am Sonnabend hat bei Ihnen ein Stück Premiere, das man auch in dem Kontext sehen könnte: „Gestiefelte Katerina“. Müssen Sie das jetzt absetzen?

Den Vorschlag habe ich noch nicht bekommen. Das Stück von Paula Fünfeck heißt einfach so. Natürlich hinterfragt es Geschlechterrollen, auf spielerisch und kindliche Weise.

Steht denn die Belegschaft des Theaters hinter Ihnen in Sachen Doppelpunkt oder gibt es intern heftige Diskussionen?

Heftige Diskussionen gibt es nicht. Dass jetzt alle derselben Meinung wären, kann ich nicht belegen. Wir haben nicht die gesamte Belegschaft gefragt, sondern das in den künstlerischen Ensembles diskutiert und da eine breite Zustimmung bekommen. Die Entscheidung trifft dann letztlich die künstlerische Leitung. Es ist meine erste Spielzeit in Plauen Zwickau, aber es nicht die erste Spielzeit, in der das Theater gendert. Das tut es seit 2019, es ist nur offenbar noch niemandem aufgefallen. Vielleicht ist es mit Blick auf die im nächsten Jahr anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen in Sachsen von der AfD benutzt worden, weil sie hoffen, damit Profil zu gewinnen oder Stimmung machen zu können.

Wie reagieren die Zwickauer und Plauener?

Bisher eher nicht. Wir hatten am Wochenende in Plauen drei Open-Air-Aufführungen mit insgesamt 3000 Besuchern, da hat das niemanden interessiert. Das Publikum kommt ja nicht zu uns, weil wir gendern oder weil wir nicht gendern, sondern weil es die Vorstellungen sehen will. Wir wissen natürlich, dass, würden wir eine Umfrage machen, die Mehrheit gegen das Gendern wäre. Aber das kann ja kein Grund sein, es nicht zu tun.

Betrachten Sie das Theater als moralische Anstalt mit einem erzieherischen Auftrag, wie Friedrich Schiller es formuliert hat?

Wir sind keine Pädagogen, das nehmen wir uns nicht raus. Es gibt auch keine Empfehlung von uns zu gendern, oder eine entsprechende Weisung innerhalb des Hauses. Aber gendersensible Sprache ist durchaus etwas, das die Künstlerinnen und Künstler an unserem Haus umtreibt. Wir sehen uns da in einer Art Pionierrolle. Und das vertreten wir. Und bloß weil der Stadtrat der Meinung ist, es soll bitte zugehen wie im 19. Jahrhundert, sind wir nicht der Meinung, dass wir das so umsetzen müssen.

Wird denn auch auf der Bühne beim Sprechen gegendert? Gibt es den Glottisschlag?

Natürlich nicht. Solche Absurditäten kamen durch die AfD mal auf. Wir haben aber ein Format, das sich Theatersport nennt. Der Moderator dort hat entschieden zu gendern. Das führt dann schon mal zu einem humorvollen Schlagabtausch mit dem Publikum, aber es bleibt immer alles leicht und locker. Das wünsche ich mir für diese Debatte: Seht es locker und verkrampft euch nicht andauernd.

Ist Ihnen bewusst, dass Sie nun einen Kulturkampf führen?

Teile von AfD und CDU suchen diesen „Kulturkampf“, nicht wir. Wir geben einer gesellschaftlich relevanten Debatte Raum. Das ist eine unserer Aufgaben. Unser Publikum kann gut unterscheiden zwischen äußeren Zeichen und Inhalten. Auf die kommt es an.