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„Von unseren Werten entfernt“: NDR wirft Ulrike Guérot aus Sachbuchpreis-Jury

Die Politologin Guérot hat die E-Mail, mit der der Sender sie über den Rauswurf informierte, in den sozialen Medien veröffentlicht.  

Die Politologin Ulrike Guérot.
Die Politologin Ulrike Guérot.Imago/Ipon

Neun Persönlichkeiten aus Medien und Wissenschaft bilden in diesem Jahr die Jury für den NDR Sachbuchpreis, darunter die Virologin Sandra Ciesek, die Moderatorin und Autorin Ninia LaGrande sowie der geschäftsführende Leiter des Centre for Ethics and Law in the Life Sciences, Nils Hoppe. Nicht mehr dabei ist die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, wie es aus einem Transparenzhinweis auf der NDR-Webseite hervorgeht, bei dem in der Überschrift nur von einer Verkleinerung der Jury die Rede ist. 

„Bei der Anfrage zur Mitarbeit in der Jury des NDR Sachbuchpreises ist nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass Ulrike Guérot sich mit öffentlichen Äußerungen von den Werten der wissenschaftlichen Gemeinschaft und des NDR Sachbuchpreises deutlich entfernt hat. Wir bedauern dieses Versehen“, heißt es hier. Und weiter: „Um eine sachliche, diskursive, aber auch im Rahmen eines demokratisch und wissenschaftlich abgesicherten Wertekanons kooperative Juryarbeit sicherzustellen, verzichtet der NDR auf die Mitarbeit von Ulrike Guérot.“ Um welche öffentlichen Äußerungen es sich handelt, geht aus dem Transparenzhinweis nicht hervor.

Ulrike Guérot veröffentlichte am Freitag die E-Mail, mit der sie über den Ausschluss informiert wurde, in den sozialen Medien. Nach der Veröffentlichung der Zusammensetzung der diesjährigen NDR-Sachbuchpreis-Jury hätten den NDR zahlreiche Anrufe und Nachfragen bzgl. der Mitarbeit von Guérot in der Jury erreicht, heißt es in der E-Mail, deren Text ansonsten der Transparenzmitteilung auf der NDR-Webseite entspricht. Guérots Kommentar dazu: „Wer entscheidet eigentlich über den abgesicherten Wertekanon?“

Der Politologe Wolfgang Merkel nennt Rauswurf „unsäglich“

Der Politologe Wolfgang Merkel, Direktor emeritus am Wissenschaftszentrum Berlin und Professor emeritus der Humboldt-Universität, schrieb auf Twitter: „Unsäglich! Welch ein Demokratie- und Pluralismusverständnis. Nicht einmal die Mühe gemacht, die ‚Wertedifferenz‘ zu benennen, geschweige denn zu erklären. Kläglich!“

Guérot, 58 Jahre alt, hat seit dem vergangenen Jahr den Lehrstuhl für Europapolitik an der Universität Bonn inne. In den vergangenen beiden Jahren hat sie vehement die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung kritisiert und damit Anklang in der „Querdenker“-Szene gefunden. Einem Shitstorm sah sie sich ausgesetzt, als sie sich Anfang Juni in der Talkshow von Markus Lanz gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aussprach und für Verhandlung, allerdings auch den Beginn der russischen Invasion einen „Grenzübertritt“ nannte und sagte, Putin sei nicht allein der Böse.