Essay

Das Billigen eines Angriffskriegs wird geahndet, wieso zum Teufel nicht das Führen?

Viele Ostdeutsche haben ein feines Gespür für Propaganda. Es wird Zeit, die Medien einer Sprachkritik zu unterziehen. Ein Gastbeitrag.

Fotoillustration: Uroš Pajović/Berliner Zeitung am Wochenende. Fotos: Imago (4)

Hat schon mal jemand den Namen Kantemir Balagow gehört? Nein, nicht Krassimir Balakow, der war ein bulgarischer Fußballer in Diensten des VfB Stuttgart, und Balagow? Ist ein russischer Regisseur. Hat „Bohnenstange“ gedreht, einen Spielfilm über eine lange, dürre, junge Frau, die im verarmten Leningrad unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg lebt, davon handelt der Film, von ihrem Leben und, weiter gefasst, vom Leben der nominellen Sieger des Krieges, ein umwerfender Film, schonungslos und sanft, spröde und warmherzig, weise und lebendig.

Und warum weiß hier so gut wie niemand von ihm? Hat Balagow, 2019, in Cannes nicht mehrere Preise gewonnen? Stand sein Film nicht auf der Shortlist für den Auslands-Oscar? Lief er in Deutschland nicht in einigen Kinos? In einigen wenigen; und jetzt setzen wir bitte „Lost in Translation“ dagegen, gleich tauchen im Kopf die traumhaften Bilder von Tokio auf, und der Name Sofia Coppola erscheint, war sie nicht erst knapp über 30, als sie das gedreht hat? Wurde sie, Wunderkind von Francis Ford, den Kinogehern hierzulande nicht vorgestellt in zahlreichen Porträts und Interviews, und geschah das nicht völlig zu Recht? Aber Kantemir Balagow, in derselben Liga spielend wie Sofia Coppola, war bei seinem Dreh noch jünger als sie, erst 28, und warum blieb er unbeachtet? Ein Genie, und kein Porträt, kein Interview, warum?

Berliner Zeitung

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