Kolumne

Berlin, Schillingbrücke: Wie ein Falschparker reagierte, als ich ihm mit Höflichkeit kam

Unsere Autorin hält es nicht mehr für selbstverständlich, auf die Fahrbahn auszuweichen, wenn ein Auto den Radweg blockiert. Aber so etwas hat sie noch nie erlebt.

Eine Radfahrerin umfährt ein auf dem Radweg stehendes Auto. 
Eine Radfahrerin umfährt ein auf dem Radweg stehendes Auto. Alexander Heinl/dpa

Es war am frühen Abend, ich war mit dem Rad auf dem Nachhauseweg, als vor mir ein Hindernis auftauchte. Ein Auto parkte auf dem Radweg auf der Schillingbrücke. Es herrschte reger Feierabendverkehr, sodass ich mich nicht traute, auf die Autofahrbahn auszuweichen. Überhaupt mache ich das nicht mehr selbstverständlich, seit vor zweieinhalb Jahren eine Radfahrerin auf der Frankfurter Allee ums Leben kam, als sie genau das tat.

Auf dem Radweg, auf dem sie unterwegs war, stand ein Transporter, und als sie diesem auswich, wurde sie von einem Lkw erfasst. Ich registriere jeden toten Radfahrer, aber dieser Fall ging mir besonders nah, weil die Frau, die da totgefahren wurde, mit einer Nachbarin befreundet gewesen ist.

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Ich umfahre die illegal parkenden Autos also nur ungern, indem ich auf den Autostreifen lenke. Gibt es noch eine kleine Lücke zwischen Auto und Parkstreifen, quetsche ich mich vorbei. Ist der Radweg direkt neben dem Gehweg, steige ich ab und gehe über den Gehweg um das Auto herum. Manchmal halte ich hinter dem parkenden Wagen an und hoffe, dass der Fahrer den Wink mit dem Zaunpfahl versteht und weiterfährt. Das bringt so gut wie immer null, auch, weil die Fahrer meist in ihr Handy vertieft sind und mich gar nicht bemerken. Dann klopfe ich manchmal ans Fenster. Die Reaktionen sind durchweg ungehalten.

Das Seitenfenster des auf dem Radweg parkenden Wagens stand offen

Das letzte Mal bezeichnete mich ein Fahrer als „behinderte Hure“, nachdem er ob meines Anklopfens erschrocken zusammengezuckt war. Oder war es „behinderte Fotze“? Dass er behindert sagte, weiß ich genau. Denn ich überlegte noch, ob ich ihn fragen soll, ob er etwas gegen behinderte Menschen habe, da er dieses Wort als Schimpfwort benutze, zog dann aber vor, es lieber zu lassen.

Dieses Mal brauchte ich nicht anzuklopfen, ein Seitenfenster stand einen Spalt weit offen. Ich beugte mich Richtung Öffnung und war dann selbst ein bisschen erstaunt über die Worte, die aus meinem Mund kamen: „Sicher ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, aber Sie stehen auf dem Fahrradweg.“ – Die ausgesuchte Höflichkeit meinerseits führte zu einer verblüffenden Reaktion, wie ich sie noch nie erlebt habe. Der Fahrer schaute mich an, sagte „Ach so“, ließ den Wagen an und fuhr weiter. Er machte mir Platz.