Kommentar

Warum ist Karl Lauterbach noch nicht neuer Gesundheitsminister?

Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Pandemie bleibt das für die Krise entscheidende Amt der neuen Regierung unbesetzt. Angeblich liegt das an Olaf Scholz. 

Der scheidende Gesundheitsminister, Jens Spahn, und der vielleicht zukünftige, Karl Lauterbach.
Der scheidende Gesundheitsminister, Jens Spahn, und der vielleicht zukünftige, Karl Lauterbach.Imago

Berlin-Man könnte jetzt meinen, es liege daran, dass das Amt so viel Verantwortung mit sich bringt. Wer möchte schon für Tausende, womöglich gar 100.000 neue Corona-Tote mit verantwortlich zeichnen, wenn es schiefgeht? Wer will sich freiwillig zum Buhmann der Nation machen lassen, in einer derart angespannten pandemischen Lage, mit den höchsten Corona-Inzidenzen, die es in Deutschland je gab? Wer das von Jens Spahn beackerte Feld übernehmen, der sich zwar öffentlich meist wacker geschlagen, inhaltlich aber nicht mit Ruhm bekleckert hat, um es euphemistisch auszudrücken? Wer wollte so wahnwitzig sein?

Das Verblüffende ist: Es gibt so einen Wahnsinnigen, er drängt sich sogar regelrecht auf, seit über einem Jahr. Er sitzt gefühlt täglich in Talkshows, hat auf Twitter den möglicherweise Millionsten Tweet zur Pandemie abgesetzt und schreckt auch nicht davor zurück, Personenschutz zu benötigen – er wäre der geborene Nachfolger im Amt des Gesundheitsministers. 

Deutschland leistet sich höchste Inzidenzen, aber keinen neuen Gesundheitsminister

Doch so sehr Anton Hofreiter der geborene Landwirtschaftsminister wäre und stattdessen von Cem Özdemir ersetzt wird, der in der Vergangenheit eher mit Flugreisen auffiel als mit der Sorge um deutschen Ackerboden, so wenig wird Karl Lauterbach als logischer Gesundheitsminister von seiner Partei unterstützt. Der neu zu bestimmende Kanzler Olaf Scholz wolle sich kein freies Radikal ins Kabinett setzen, hieß es zuletzt wiederum in einer Talkshow, nur deshalb sei Lauterbach noch nicht Gesundheitsminister: Er sage zu oft seine eigene Meinung. Mit so jemandem könne, wie in der Regierung Merkel üblich und nun von Scholz fortgeführt, keine Hinterzimmerpolitik betrieben werden. 

Da stellt sich aus Sicht der Wähler:innen nur einmal mehr die Frage: Wir haben Inzidenzen von bis zu 1000, Ärzt:innen und Pflegekräfte schlagen seit Wochen Alarm, dreiviertel der Kliniken können ihrer genuinen Arbeit nicht mehr nachgehen, die Stimmung in der Bevölkerung brodelt, ein ausgewiesener und bereits eingearbeiteter Experte in Epidemiologie könnte sich sofort an die Arbeit machen und nebenher, wie es scheint, gar die unbeliebte Hinterzimmerpolitik beenden: Warum also ist Karl Lauterbach noch kein Gesundheitsminister? 

Wer sich vor Panik-Karl fürchtet, der sei beruhigt: Sobald Lauterbach selbst Verantwortung trüge, könnte er schlecht Panik betreiben. Bleibt das Problem mit den Krankenhauskapazitäten: Lauterbach höchstselbst hatte vor der Pandemie dafür geworben, möglichst viele kleine Kliniken zu schließen, damit sich die Versorgung in den großen Häusern verbessere. Wie er heute dazu steht, dazu sollte man ihn vorher doch nochmal befragen.