Berlin – Es ist schon wieder passiert. Ich habe mir selbst eine Diagnose gestellt – Dextrophobie. Und das kam so: Eines Morgens griff ich zu einem Glas Erdnussbutter. Nicht, um mich selbst daran zu bedienen, sondern um es am Frühstückstisch weiterzureichen. Genau in diesem Augenblick begann mein rechter Arm zu zittern, Hand und Glas zitterten mit. Das Wort „Entzugserscheinung“ schoss mir durch den Kopf. Nur: Entzug wovon? Erdnussbutter?
Ich sträube mich ja beharrlich dagegen, dieses Zeug in den Mund zu nehmen, weil es sich in Konsistenz und Farbe stark an Schuhcreme annähert und nach langweiligen Fernsehabenden mit Knabberzeug riecht. Zwar verwarf ich den Gedanken, dass mein Unterbewusstsein nervös auf diese Verweigerungshaltung reagiert, bemühte aber vorsichtshalber eine Suchmaschine im Internet, gab „Erdnussbutter“ und „zittern“ ein und wurde fündig.
Es ist erstaunlich, was heutzutage phobiemäßig so alles möglich ist. Arachibutyrophobie zum Beispiel: die Angst davor, dass Erdnussbutter am Gaumen kleben bleibt. Zugegeben, eine eklige Vorstellung, aber mir kann das ja allein von Entzugs wegen nicht passieren.
Wahrscheinlich hatte ich diesen Tatterich schon länger, ohne dass er mir unnormal erschienen wäre. Jedenfalls lag das nahe, handelte es sich doch um ein „normales, physiologisches Zittern“. Das teilte mir eine Internetseite mit, die zunächst darauf hinwies, dass alle dort zusammengestellten Inhalte pharmazeutisch und medizinisch geprüft seien, um mir dann eben jenes physiologisch bedingte Zittern zu bescheinigen, Fachbegriff: Tremor. Das klang mal nach einer anständigen Diagnose, besorgniserregend und mysteriös zugleich – Tremor. Wie ein Wesen aus „Der Herr der Ringe“.
Neurogener Tremor: Fötale Haltung am Konferenztisch
Es kam noch besser. Einen Klick später stieß ich auf das pharmazeutisch und medizinisch geprüfte Phänomen des neurogenen Tremors und die erfreuliche Nachricht: „Wer regelmäßig zittert, ist entspannter, gelassener und besitzt mehr Leistungsfähigkeit.“ Als hätte ich es geahnt! Was ich nicht geahnt hatte: Der neurogene Tremor hat mit einem gewissen Psoas zu tun; keine Figur aus „Der Herr der Ringe“, sondern ein Muskel. Er stabilisiert Wirbelsäule und Becken und arbeitet eng mit dem Stammhirn zusammen, was sehr kollegial ist und dazu führt, dass er sich bei Gefahr zusammenzieht. „Fötale Haltung.“ Stand da. Und dass man das Zittern zulassen solle.
Meine neu gewonnenen Erkenntnisse zum Psoas könnte ich beiläufig fallen lassen, wenn mein rechter Arm demnächst wieder einmal bei unpassender Gelegenheit aufmuckt. Neulich war das in meiner Firma bei einem Gespräch am Konferenztisch der Fall. Zum Glück konnte ich mit der linken Hand die rechte fixieren, ohne in eine fötale Haltung zu verfallen.
Ich könnte künftig noch auf einen weiteren erhellenden Sachverhalt zu sprechen kommen: auf Angela Merkel und den Sommer 2019, als die Kanzlerin vor laufenden Kameras unvermittelt zu zittern begann. Überlastung, spekulierte die besorgte Öffentlichkeit. Ich tippe ja im Nachhinein auf neurogene Lässigkeit, ausgehend von Merkels Psoas.


