Kolumne

Heb Deine Füße! Die gute Nachricht lautet: Schlurfen ist heilbar

„Walk Like an Egyptian“ – mit O-Beinen kein Problem, findet unser Autor heraus und stellt sich mal wieder eine interessant klingende Diagnose.

Wer schlurft, kommt auch ans Ziel.
Wer schlurft, kommt auch ans Ziel.imago/panthermedia

Es ist schon wieder passiert. Ich habe mir selbst eine Diagnose gestellt – Peroneusparese. Und das kam so: Ich traf einen Freund, den ich schon seit einigen Wochen nicht mehr gesehen hatte. Wir gingen zu einer Kneipe, als er mich fragte, ob alles in Ordnung sei, im Job und so. Ich würde abgekämpft wirken, geradezu depressiv, vom Gang her. Ich würde schlurfen.

Dass ich schlurfe, wurde mir schon oft nachgesagt, ein Hang zu depressiver Stimmung bis dahin aber noch nie. Ich war auch an diesem Tag gut gelaunt, fröhlich fast. Gerade hatte ich eine dieser Kolumnen hier geschrieben. Das Bisschen, worüber ich lache, schreibe ich mir ja selbst. Also verstand ich die Frage nicht. Ins Grübeln kam ich allerdings schon.

Ich erinnerte mich an den Verkäufer eines Sportfachgeschäfts, der mir vor geraumer Zeit nach einer Analyse meines Laufstils eröffnet hatte, ich würde zu Supination neigen. Ich wollte mir doch nur ein Paar Joggingschuhe kaufen, um nach Jahren der regungslosen Völlerei wieder ins Training einzusteigen. Und dann das! Ich fragte den Verkäufer, ob eine reelle Chance auf Heilung bestünde. Er bedauerte: „Mit den O-Beinen werden Sie wohl weiterhin leben müssen.“

Das erklärte zwar, warum sich meine Schuhsohlen zuerst immer außen an den Hacken abnutzen. Meinen depressiven Gang erklärte die Supiniererei aber nicht. Es blieb mir mal wieder nichts anderes übrig, als das Internet zu konsultieren. Ich stieß auf verschiedene Verdachtsdiagnosen, alle auf einer Seite, die sich als Portal einer Rehaklinik auswies. Im Kapitel „Gangstörungen“.

Schlurfen bei breitbeinigem Gang

Ich las, dass tatsächlich Depressionen meine Schlurferei erklären könnten, wenn auch nur zum Teil, weil in solchen Fällen meist noch andere Faktoren hineinspielen würden. Das Portal bot mir sogleich einige an. Sarkopenie klang besonders interessant, nach Sarkophag, irgendwie nach Mumie. Bezeichnenderweise fällt darunter ein altersbedingter Verlust an Muskelmasse. Breitbeiniger Gang mochte als Symptom ja noch zu mir passen, den hatte mir schließlich der Sportschuhverkäufer bereits attestiert, aber langsame, kleine Schritte? Nichts gegen Tutanchamun und „Walk Like an Egyptian“, doch diese Diagnose kam überhaupt nicht infrage.

Zumal meine Selbstversorgungskompetenz bis zum heutigen Tag vollumfänglich vorhanden ist, wie übrigens die anderen auf dem Portal angegebenen Ausschlusskriterien für Sarkopenie auch: Emotion und Kognition zum Beispiel, Mobilität und Motilität. Alles da. Es wurde höchste Zeit, die Seite zu wechseln.

Infobox image
Berliner Zeitung/Paulus Ponizak
Hypochonder-Glosse
Christian Schwager ist Redakteur für Gesundheit und schreibt alle zwei Wochen an dieser Stelle über seine eingebildeten Krankheiten.

Irgendwann gelangte ich zu www.LexMedDoc.org oder so ähnlich und zu der Erkenntnis, dass bei mir eine Läsion des Nervus peroneus communis vorliegen dürfte. Mit anderen Worten: Der Extensor hallucis longus und der Extensor digitorum longus machen schlapp. Wenn ich das richtig verstanden habe. An anderer Stelle las ich etwas von einer Peroneusparese, die offenbar dazu führt, dass mein Fußheber geschwächt ist, weswegen ich meine Füße nicht hebe. Nichts anderes hatte doch der Freund festgestellt. Diese Diagnose hätte ich deutlich schneller haben können.

Auch die Therapie gegen diese verflixte Schlurferei erschien mir seltsam vertraut. Es hieß, man möge seine Muskeln trainieren, Extensor hallucis und digitorum und longus und so weiter. Das hatte ich schon als Kind zu hören bekommen, wenngleich schlichter formuliert: „Mensch Junge, heb endlich die Füße an!“