Bali Calling

Achtung! Etwas mehr Zurückhaltung mit den schönen Bildern aus Bali bitte

Wer in Zeiten des Kriegs Bilder aus einem Urlaubsort postet, muss sich darauf gefasst machen, dass das nicht allen gefällt. Ein Zwischenruf aus dem Paradies.

Berg, Felder, Regenbogen. Alida Szabo ist eine ungarische Fotografin aus Berlin und postet gerade viel aus Bali. Dort wohnt sie gerade mit Mann und Kind.
Berg, Felder, Regenbogen. Alida Szabo ist eine ungarische Fotografin aus Berlin und postet gerade viel aus Bali. Dort wohnt sie gerade mit Mann und Kind.Alida Szabo

Berlin-Ich bin ein visuell geprägter Mensch. Ich verwende im Internet lieber die Bildersuch- als die Textsuch-Funktion, auch wenn es um die Bedeutung von Fremdwörtern geht. Unter anderem bin ich Fotografin, auf Social-Media-Seiten habe ich in den letzten Jahren dennoch kaum „schöne Fotos“ von meiner zweiten Heimat Indonesien geteilt. Bis zu diesem Januar.

Im Januar dieses Jahres konnte ich mit meiner kleinen Familie nach einem langen Trauer- und noch längeren Pandemiejahr endlich nach Indonesien zurückkehren. Um nach dem Verlust meiner Mutter mich und nach zwei Pandemiejahren meine Freunde zu trösten, habe ich mich entschlossen, eben jene „schönen Bilder“ zu posten – nun, zuerst einmal solche überhaupt zu machen. Denn meine Landschaftsbilder waren bis jetzt immer mit dicken Wolken verhüllt, meine Portraits tief und dunkel, meine Reisefotografie war eher sozialkritisch als glänzend froh, meiner tieflegenden (ost)europäischen Grundmelancholie entsprechend eben.

Aktuell aber poste ich Reisfeldlandschaften mit richtigen Kurven und Regenbögen, ich poste Bambusgebäude, die mit der Landschaft verschmelzen, viel blaues Wasser vorm grünen Hintergrund, Tag für Tag. Ich wollte ein wenig davon vermitteln, was mich hier tagtäglich aufmuntert: die von der Natur und die von Menschen geschaffene immense Schönheit.

Inzwischen hat Russland die Ukraine überfallen.

Heute hat mich die erste trübe Nachricht erreicht, von einem guten Freund geschrieben. Er fühle sich wegen meiner freudigen Bali-Bilder unwohl. Das sei gegenüber meinen Freunden in Europa rücksichtslos, wirft er mir vor. Sie hätten einen Krieg am Hals, in der Stadt viele Geflüchtete, im Fernsehen die Toten und im Supermarkt kaum noch Weizenmehl und steigende Preise. Er wirft mir Leichtsinn vor, den ich aus einer sehr komfortablen Position mit meinen Bildern in diesen allzu schweren Zeiten vermitteln würde. Ich hätte mich immens verändert, ich sei unsensibel und arrogant geworden. Das alles hätte er in den Bildern gesehen. Er sagt, er sei auch ein visueller Typ, der im Internet die Bildersuch- gegenüber der Textsuch-Funktion bevorzuge.

Wir haben uns daraufhin lange über Themen wie soziale Verantwortung unterhalten und ob diese ortsgebunden oder global sei, über die Ethik des Sichwohlfühlens in schwierigen Zeiten – und letztendlich darüber, ob meine kleine Seele immer noch zu retten wäre oder aber aufgrund der Zeit, die ich in Bali verbringe, bereits restlos in einer naiven Hippie-Gaga-Welt versunken sei. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, dass ich noch kein Veganer geworden sei, freitagabends nicht zu ekstatischen Tanzveranstaltungen im Yogazentrum in Ubud gehen würde und dass ich den Rufen der esoterischen Spiritualität, die Zentral-Bali heutzutage umgibt, auch noch recht gut widerstehen könne. Ich denke, er hat mir geglaubt, dass es eben nur eine Phase ist, in der ich Heiterkeit statt Melancholie bevorzuge.

Die schönen Reisterrassen, genau. Aber manchmal muss man sich auf die Schönheit der Natur besinnen.
Die schönen Reisterrassen, genau. Aber manchmal muss man sich auf die Schönheit der Natur besinnen.Alida Szabo

Ich poste weiterhin schöne Bilder aus Bali auf meinen Plattformen.

Ich möchte mit meinen Bildern zeigen, dass es wieder möglich ist zu reisen und dass das Schöne trotz Pandemie, Inflation und Krieg immer noch existiert. Es gibt sie noch, die Wasserfälle, die Berge, die Tempel und die Wälder rund herum mit Affen und Vögeln. Die Natur gibt es hier vielleicht noch mehr als vor zwei Jahren, weil der weltweite Zusammenbruch des Tourismus sich auch hier zeigte. Das Tempo wurde langsamer, viele Bauarbeiten an Großhotels wurden auf Eis gelegt.

Auch die Balinesen mit ihren unzähligen Zeremonien gibt es noch, die Gebräuche, die Traditionen, die in Wasserquellen badenden Kinder und Tag für Tag Hunderte duftende Opfergaben. Jeder kann sich die Insel irgendwo zwischen Strandurlaubsziel und Station auf dem Weg zur Selbstfindung zurechtpositionieren, je nach Bedarf.

Hauptsache: Bali gibt es noch. Nur Vorsicht mit den schönen Bildern!