Tina testet

Kaviar fürs Volk: Im KaDeWe sollen alle Luxus schmecken können

Die neue Kaviarbar Pearlossol in der Feinschmecker-Etage des KaDeWe will weniger elitär sein. Macht sich das in den Preisen bemerkbar? Wir haben die Menükarte studiert.

Werden sich hier bald Krethi und Plethi tummeln? Die neue Kaviarbar im KaDeWe.
Werden sich hier bald Krethi und Plethi tummeln? Die neue Kaviarbar im KaDeWe.Volker Renner

Berlin-Es gibt nicht viele Rechtfertigungen dafür, an einem Freitagnachmittag um 16 Uhr ausgerechnet an der Kaviarbar im KaDeWe zu landen. Außer vielleicht, dass man es sich leisten kann. Meine Rechtfertigung, hier zu sitzen, ist mein Beruf. Und dass ich gerade ein zutiefst menschliches Verlangen befriedige. Dieses Verlangen heißt Neugier. Ich war extrem gespannt, wie es hier oben im KaDeWe nach dem langjährigen Umbau nun aussieht und natürlich auch, ob – wie angekündigt – eine Popularisierung dieses Luxuslebensmittels wirklich funktioniert.

Vor dem Umbau, der Pandemie und dem Krieg marschierten an guten Wochenenden rund 80.000 Menschen durch die Feinkostabteilung des KaDeWe – oder „die Sechste“, wie Eingeweihte sagen. Über zwei Jahre wurde renoviert. Für eine Reportage war ich immer mal wieder dort und habe mit Stammgästen gesprochen. Ob Wurstkessel, Weinbar, Kartoffelacker oder Austernbar – jede der ehemals 32 Theken auf der Etage hatte ihre Fans. Und genau da lag die Schwierigkeit des Umbaus: Niemand wollte seinen Lieblingsstand angetastet sehen.

Das Paar aus Sankt Petersburg mit Penthouse am Kudamm, mit dem ich sprach, schlürfte jeden zweiten Mittag Austern in der Sechsten. Der „Berliner Buletten-Adel“ dagegen, wie ein Freund Westberliner Bauunternehmer mit viel Geld getauft hat, war eher Stammgast im Wurstkessel oder beim Kartoffelacker. Letzteren gibt es noch, ebenso die Austernbar.

Sieht schon mal gut aus: Lachs-Sashimi mit Kaviar und Blüten-Dekor
Sieht schon mal gut aus: Lachs-Sashimi mit Kaviar und Blüten-DekorVolker Renner

Ich war jetzt längere Zeit schon nicht mehr hier. Generell merke ich bei meinem Rundgang, dass sich die Feinkostabteilung nun ihrem neuen, international kompatiblen Namen „Foodhall“ mehr und mehr anpasst. Das Gemüse ist auf ein paar Showkörbe zusammengeschrumpft, generell werden auf den 7500 Quadratmetern weniger Lebensmittel verkauft. Dafür gibt es mehr Gastronomie zum Hinsetzen.

Anfang des Jahres neu hinzugekommen ist die Kaviarbar von AKI. Der japanisch anmutende Name ist eigentlich eine Abkürzung für das Hamburger Traditionsunternehmen Altonaer Kaviar Import, weltweit einer der ältesten Kaviarimporteure in Familienhand. Auf fast 100 Jahre Geschichte blickt AKI zurück. In der Spitzengastronomie kennt man den Namen. Die dritte Generation setzt nun offensichtlich darauf, den Kaviar-Genuss aus der elitären Ecke herauszuholen und hat im KaDeWe die erste Fine-Snacking-Bar namens Pearlossol eröffnet. Kaviar kann und soll hier eine besondere Zutat zum einfachen Gericht sein. Funktioniert das?

Bei Austern hat diese Herangehensweise in gewisser Weise geklappt. Zwar ist Austernessen abseits der Küstengebiete nicht alltäglich geworden. Aber die ihm anhaftende Exklusivität ist eher einem „man mag sie oder eben nicht“ gewichen. Wer sie mag, gönnt sie sich ab und an, wie man an der Austernbar sieht. Freitagnachmittag ist sie gut besucht.

Die Preise zeigen sich noch nicht ganz so volksnah

Dagegen ist es an der benachbarten Kaviarbar ruhig. An den 20 blauen Barhockern habe ich freie Platzwahl. Schön sieht das Pearlossol aus, der Tresen ist nierenförmig geschwungen, und seine Messingelemente leuchten im von oben einfallenden Licht. Die Bar liegt direkt am Atrium, an dem spiralförmig die neuen Rolltreppen des KaDeWe enden.

Ich habe mich mit einem Freund hier verabredet. Wir haben uns beide vorgenommen, uns nicht von den Preisen abschrecken zu lassen. Wir müssen trotzdem schlucken. Das unter „The Classics“ gelistete AKI-Kaviar-Tasting beginnt mit der einfacheren Stör- Kaviarsorte Black Selection für 16 Euro und geht rauf auf 40 Euro für den Beluga Kaviar. Aber Achtung: Die Preise verstehen sich pro zehn Gramm. Um den Kaviar mit wahlweise etwas Brot und Butter (7,50 Euro) oder Blinis (10 Euro) wirklich auf der Zunge zu schmecken, braucht es allerdings mindestens 20 Gramm.

So wird es wohl schwierig, den Kaviar von seinem exklusiv-dekadenten Image zu befreien – auch wenn das Motto „Lass das Salz weg. Nimm Kaviar!“ hier auf der Karte postuliert wird. Am ehesten entsprechen dem noch die angebotenen Easy-Snacking-Gerichte: hausgemachte Pommes, die statt mit echtem Störkaviar mit Forellenrogen garniert werden. Diesen wesentlich günstigeren Trendkaviar, hier bezogen aus der Lüneburger Heide, gibt es auch mit ein paar dicken Kartoffelchips und Schmand. Ein fantastischer Barsnack, weil der Rogen so schön salzig poppt.

Für den kleinen Hunger: Kartoffelschaum, konfierte Zwiebel mit Kaviar.
Für den kleinen Hunger: Kartoffelschaum, konfierte Zwiebel mit Kaviar.Volker Renner

Wer richtig Hunger hat, sollte hier nicht aufschlagen. Auch das Andengold, das hier unter den Fine-Snacking-Gerichten gelistet wird, ist nach ein paar Löffeln weg. Aber was für Löffel! Ein fast wolkiger, lauwarmer Kartoffelpüreeschaum, unter dem sich im Fett vom Wagyū-Rind konfierte süße Zwiebeln verbergen und in dessen Mitte Siberian Kaviar wartet. Das ist der kräftige, feinkörnige Kaviar vom sibirischen Stör, der wie alle Sorten seit 2003 in Aquakulturen gewonnen wird – seit das weltweite Fangverbot für wild lebende Störe gilt.

Was ich nicht wusste, ist, dass inzwischen viel Kaviar aus deutscher Züchtung stammt. So auch der Siberian; er wird von einer Störfarm in Fulda bezogen. Um einen Vergleich zu haben, leisten wir uns noch 20 Gramm Ossetra Kaviar, ebenfalls aus deutscher Züchtung. Zusammen mit Blini, etwas Crème fraîche und einem Weide-Ei schmeckt er buttriger als der davor und hat einen nussigen Nachklang.

Aber zur richtigen Kaviar-Expertin werde ich es wohl nicht mehr bringen, allein schon der nötigen finanziellen Mittel wegen. Ich weiß nur: Wer auch immer als Erster in der Menschheitsgeschichte auf die Idee kam, dass man dieses schwarze Zeug essen kann, war definitiv ein Gourmet. Ob Kaviar aber wirklich in der Mitte der Gesellschaft ankommen und das Pearlossol zur festen KaDeWe-Instanz werden kann wie Austernbar und Kartoffelacker? Das wird auf jeden Fall eine Herausforderung.

Preise: Breakfast und Lunch 12,50–43 Euro; Easy Snacking 9,50–42 Euro; Fine Snacking 18,50–49 Euro; The Classics Kaviar Tasting (20 Gramm) ab 7,50–80 Euro.

Infos: Pearlossol in der KaDeWe-Feinschmeckeretage, Tauentzienstr. 21–24, 10789 Berlin. Montag bis Donnerstag 12–21.30 Uhr, Freitag und Samstag 10–22 Uhr, www.aki-caviar.de

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Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.