Die meisten von uns sind es ja gar nicht mehr gewöhnt, saisonal zu essen. Ausländische Erdbeeren gibt es schon im Februar in den Supermärkten. Und Tomaten? Tomaten werden jetzt im August bis Anfang September geerntet. Aber die meisten von uns essen sie das ganze Jahr über aus den Niederlanden und Spanien. Meistens schmecken sie so langweilig wie Wasserbomben. Auch wenn ich die noch nicht probiert habe.
Die besten Tomaten kann man immer noch in Süditalien finden. Einfach abends gepflückt, noch lauwarm von der Hitze des Tages. Ein bisschen Salz drüber und pur genießen. Aber jetzt im Sommer müssen sich unsere deutschen Tomaten nicht verstecken. Es gibt sie in allen Farben: zitronengelbe, violette, giftgrüne und natürlich rote. Auf Berlins Märkten bekommen Sie jetzt wirklich tolle Exemplare. Und teuer sind sie auch nicht.
Tomaten können auch Anlass zu einem Gespräch über Ästhetik geben. Anlässlich eines Besuchs bei Freunden in Heidelberg präsentierte mir der Hausherr einmal eine wunderbare, riesige Coeur de Boeuf. Tiefrot und wunderbar in Form versprühte der Ochsenherz-Paradeiser (Paradeiser ist österreichisch für Tomate) einen sagenhaften Duft, und das mit Blick auf die Heidelberger Altstadt. Wir diskutierten lange, wie man die Frucht nun am stilvollsten verzehren könne.

Pesto aus Knoblauch, Minze, Sardellen und Kapern
Schneiden und schälen oder nicht? Kochen oder roh? Pur oder gewürzt? Welches Öl, welcher Pfeffer und so weiter. Das waren einige der zu klärenden Fragen. Wir entschlossen uns schlussendlich dazu, die Tomate horizontal aufzuschneiden, so dass man die Fruchtkammern schön sehen konnte. Auf altem Porzellan angerichtet gab es dazu eine leichte Paste aus Knoblauch, Minze, Sardellen, Kapern und einem Schuss Olivenöl.
Die hatten wir uns vorher ausgedacht. Trial and error mit himmlischem Ergebnis! Wenn Sie es auch zu Hause probieren wollen, dann mixen Sie alle Zutaten (mit der Menge müssen Sie experimentieren) im Mixer oder mit dem Zauberstab zusammen und beträufeln Ihre Tomaten damit. Auch auf Brot schmeckt sowas ganz wunderbar.
Spaghetti al pomodoro fresco
Das erinnert mich auch an eine unvergessliche Pasta in Vernazza, Cinque Terre. Die Gegend war damals noch ein relativ unbekannter Geheimtipp. Einfacher hätte das Rezept nicht sein können, aber viel mehr konnte ich mir damals unter dem Namen Spaghetti al pomodoro fresco auch nicht vorstellen. Die Spaghetti wurden also pur serviert, à part auf einem Teller brachte der Kellner wunderschöne geschälte Tomaten. Diese drückte er durch eine Kartoffelpresse direkt auf die Nudeln. Fertig!
Ist man Supermarkt-Tomaten gewöhnt, schüttelt man nun wahrscheinlich ungläubig den Kopf. In dem Fall waren wir es, die ob der sagenhaften Qualität den Kopf schüttelten. Ein unvergessliches kulinarisches Erlebnis. Grund für dieses Highlight ist natürlich ganz einfach die Qualität der Tomaten. Nur die besten Sorten werden in Süditalien angebaut und vollreif im richtigen Zeitfenster geerntet. Nur so gelingt es.
Pan con tomate, so nennen die Spanier Tomatenbrot
Das wissen auch die Spanier, bei denen Pan con tomate ein nationaler Klassiker ist. Dabei werden die Tomaten ganz einfach über eine grobe Reibe gerieben, übrig bleibt nur die Haut. Die Tomatenpampe kommt anschließend in ein Sieb, um überschüssige Flüssigkeit abzugeben. Was übrig bleibt, wandert einfach auf getoastetes Weißbrot, das vorher etwas mit Knoblauch eingerieben und mit Olivenöl beträufelt wurde. So einfach kann Genuss sein.
Und schonen tut das auch die Haushaltskasse: Eine Panzanella beispielsweise besteht einfach aus alten Brotwürfeln, Tomaten, Olivenöl, Salz, Pfeffer und etwas Basilikum. Auf Deutsch dann Tomaten-Brotsalat, und der kann es in sich haben, sind die Tomaten denn auch volle Kanne reif, süß und lecker.
Tomatensalat mit Zwiebeln, Basilikum und Szechuan-Pfeffer
Wenn wir an Tomaten denken, dann denken wir immer ans Mittelmeer, an Pasta, Burrata, Mozzarella und Tomatensoße. Dass Tomaten aber fast überall sonst auf der Welt gegessen werden, vergessen wir dabei schnell. Man kann richtig schön reife Tomaten natürlich auch mit asiatischen Gewürzen essen. Hier kommen zwei einfache Sommer-Rezepte, die Ihre reifen Brandenburger Tomaten vom Markt nochmal richtig adeln. Die Stichwörter sind: Szechuan-Pfeffer, Koriander, Sojasoße und Zucker.
Dieses Rezept ist ein Alltagsklassiker unseres Food-Chefs Jesko zu Dohna. Der Clou dabei ist, dass man den Tomatensalat ordentlich mit Szechuan-Pfeffer berieselt. Jetzt denken Sie bestimmt: Das ist doch viel zu scharf! Irrtum, denn Szechuan-Pfeffer ist gar kein Pfeffer. Er wird nur scharf, wenn man – wie die Chinesen – ordentlich Chili dazugibt. Falls Sie das mögen, hier ist das beste Rezept für selbstgemachte Szechuan-Chili-Soße. Szechuan-Pfeffer allein schmeckt zitronig, frisch nach Pampelmuse, prickelt auf der Zunge und betäubt dann sanft den Gaumen.
Zutaten: Eine Handvoll reife Tomaten aller Farben, eine große weiße Zwiebel, ein Bund Basilikum, Szechuan-Pfeffer aus der Mühle (am besten einer, der weniger rauchig und nach Pampelmuse schmeckt. Fragen Sie einen Gewürzhändler), Salz, Pfeffer, Sherryessig.
Zubereitung: Schneiden Sie die Zwiebel in feine Ringe und legen Sie die in eine große Schüssel. Dann geben Sie Sherryessig und Olivenöl im Verhältnis 1 zu 2 dazu, würzen mit Salz und Pfeffer und lassen das Ganze schon mal ein bisschen ziehen. Ist der Salat später nicht sauer genug, können Sie Essig nachgießen.
Jetzt schneiden Sie die Tomaten in Stücke. Ganz so, wie Sie es mögen. Kleine Tomaten werden geviertelt, große in Scheiben geschnitten. Alles kommt dann zu den Zwiebeln in die Schale. Schön durchmengen und nochmal ziehen lassen und abschmecken. Ich mag es gut durchgezogen. Dann bildet sich unten auch dieser schöne Tomatensaft, den man prima über frische Pasta oder ein Crostini träufeln kann.
Kurz vor dem Servieren geben wir die abgezupften Basilikumblätter dazu und würzen mit ordentlich Szechuan-Pfeffer. Schön durchmischen und gleich servieren.
Tipp: Szechuan-Pfeffer passt auch hervorragend zu Ölsardinen aus der Dose. Es gibt sogar manche Hersteller, die ihre Ölsardinen mit den Prickelkapseln würzen. Wenn Sie Ihren Tomatensalat pimpen wollen, können Sie ihn auch auf einer Platte anrichten und darauf schön Ölsardinen- oder Makrelenfilets aus der Dose drapieren. Das schmeckt gut und macht Ihren Salat zu einer Hauptspeise. Dazu passt ein eiskaltes Bier!
Tomaten mit Zucker, Sojasoße und Koriander
Dieses Rezept gibt es abgewandelt beim wunderbaren Chinanudel-Imbiss Chungking Noodles in Kreuzberg. Klar, das Lokal ist vor allem bekannt für seine leckeren und höllisch scharfen Nudeln mit geschmorter Rinderhaxe und Schweinehackfleisch. Aber auch die sommerliche Tomaten-Vorspeise ist eine sehr kreative Angelegenheit. Dieses Gericht können Sie in unter einer Minute zubereiten. Stoppen Sie die Zeit. Sie werden es spielend schaffen. Das letzte Mal habe ich 33 Sekunden gebraucht und die Gäste (danach gab es eine selbstgemachte Chinasuppe aus Wildentenbrühe) waren begeistert. So geht's:
Zutaten: Eine Handvoll große Cherrytomaten, weißer Zucker, eine gute milde Sojasoße, ein Bund frischer Koriander.
Zubereitung: Die Tomaten können für dieses Gericht auch leicht gekühlt daherkommen. Vierteln oder halbieren Sie sie einfach. Schöner sieht es aus, wenn Sie waagerecht zum Strunk schneiden. Dann sieht man die sternförmigen Kammern. Jetzt gießen Sie drei Esslöffel Sojasoße an und mischen alles vorsichtig durch.
Dann bestreuen Sie die Tomatenhälften mit ordentlich weißem Zucker, sodass die Schnittflächen leicht bedeckt sind. Beim Essen soll es noch ein bisschen knacken. Dann hacken Sie etwa zehn Korianderstängel mit Blättern grob durch und geben das Grünzeug großzügig über die Tomaten.
Idealerweise isst man das Ganze mit Stäbchen. Vor dem Verzehr schön durchmischen. Am besten schmeckt es, wenn die Tomaten eine schöne Säure haben. Das passt gut zur salzigen Sojasoße und zur Süße des Zuckers.

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