ARD

Die "Tatort"-Kommissare Batic und Leitmayr ermitteln zum 50. Mal: Unter Brüdern

Es gibt eine hübsche Legende über den Anfang der Geschichte. Sie spielt 1989 in einem Münchener Biergarten. Wo auch sonst, wenn es um den Bayern-"Tatort" geht? Lange hatte die BR-Redaktion nach unverbrauchten Gesichtern für ihr neues dramaturgisches Konzept gesucht. Als man sich schließlich auf zwei Namen verständigt hatte, wurden Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl, damals zwei aufstrebende Talente in den Dreißigern, zu einer Brotzeit eingeladen. Die Fernsehleute wollten sehen, wie sie zusammen funktionieren würden. Und die beiden funktionierten wie am Schnürchen: Weil jeder von ihnen dachte, es ginge um nur eine Hauptrolle - also um den einen oder den anderen - , prahlten und wetteiferten Wachtveitl und Nemec sich gegenseitig an die Wand. Keiner ahnte, dass beide das Casting in Wahrheit längst gewonnen hatten. Als erstes "Tatort"-Team sollten sich ihre Figuren Leitmayr und Batic als konkurrierende, aber gleichberechtigte Partner verstehen. Das war 1991 neu in der ARD-Krimireihe.Heute ist das "gemischte Doppel" längst zum "Tatort"-Standard geworden. Und der BR-"Tatort" einer der erfolgreichsten und langlebigsten Reihen innerhalb des Krimi-Verbundes. Nur Ulrike Folkerts als Lena Odenthal ist noch länger im Geschäft, und auch die ermittelt inzwischen nicht mehr solo. Dass sich das Duo Batic und Leitmayr bis heute nicht verbraucht hat, mag auch daran gelegen haben, dass die beiden Charaktere von Anfang nicht so exponiert beschrieben wurden wie der "Scheiße"-Kommissar Schimanski oder der singende Stoever. Vielmehr wirkten die beiden wie ein Brüderpaar. Und selbst die Erkennungsmerkmale, mit denen die beiden neuen Figuren zunächst beschrieben werden sollten, erwiesen sich bald als hinderlich. So wurde der alte Porsche, den man dem Vorstadt-Yuppie Leitmayr in den ersten Folgen noch angedichtet hatte, bereits nach drei Folgen wieder abgeschafft. Und die osteuropäische Herkunft, die Batic mit seinem Darsteller Nemec teilt, spielte nur selten eine tragende Rolle.Oft genug ermitteln Leitmayr und Batic zunächst in ganz unterschiedliche Richtungen. Sie folgen stur ihrer eigenen Intuition und kommen doch am Ende beide zur gleichen Zeit ans gleiche Ziel. Das ist für die Drehbuchautoren eine ausgesprochen praktische Tradition, denn so können sie den beiden im Ausgangspunkt so ähnlichen Figuren ein ums andere Mal andere Gefühlslagen andichten, und sie am Ende der Folge doch wieder wie unverbraucht dem nächsten Autor abliefern.Diesem Prinzip folgt auch Christian Limmer, der die Jubiläumsfolge "Liebeswirren" geschrieben hat. Diesmal ist es Ivo Batic, der kurzzeitig emotional auf Abwege gerät. Im Münchner Gärtnerviertel, Hochburg der Schwulenbars, wird die Leiche eines Fotografen gefunden. Schnell stellt sich heraus, dass der Tote in der Gay-Szene verkehrte. Und dass sein Ex-Freund noch eine Rechnung mit ihm offen hatte. Während Leitmayr mit allen Mitteln, die die Polizei erlaubt, nach dem abgetauchten Ex-Liebhaber fahndet, macht sich Batic auf eigene Faust mit der Szene bekannt. Bald ist er in einen Strudel der Gefühle geraten: Da gibt es den jungen schwulen Nachbarn Tim (Franz Dinda), der Batic für einen homosexuellen Lehrer hält und ihm Avancen macht. All das wird von Batics Erinnerung an eine verpatzte Liebesnacht überlagert. Dass sich Batic ausgerechnet mit dem Liebeskummer homosexueller Männer befassen muss, wenn ihn privat Potenzstörungen plagen, macht es für den stolzen Deutsch-Kroaten nicht leichter. Zumal sich mit Gerd (Christoph Waltz) ein weiterer Verdächtiger auftreiben lässt, der offenbar nachts um den Gärtnerplatz schleicht, aber tagsüber in der Vorstadt ein unauffälliges Leben als braver Familienvater lebt. Während Batic nur Verachtung für dieses Doppelleben aufbringen kann, will Leitmayr in diese Richtung möglichst diskret ermitteln, um nicht aus dem Schwulen- auch noch ein Familiendrama zu machen.Blickt man auf die illustre Reihe der letzten 50 BR-"Tatorte", gehört "Liebeswirren" sicher nicht zu den ganz großen sozialkritischen Stücken - wie 1995 "Frau Bu lacht" über Kindesmissbrauch oder vor zwei Jahren "Kleine Herzen" über Vernachlässigung. Aber trotz aller (Selbst)ironie, die Regisseur Tobias Ineichen in die Inszenierung dieser Folge gelegt hat, verrät "Liebeswirren" doch an keiner Stelle die Tragik seiner Geschichte - was anderenorts beileibe nicht immer gelingt. Dass hier die Balance gehalten wird, ist das große Verdienst dieser beiden inzwischen in Ehren ergrauten "Tatort"-Brüder. Man möchte Batic und Leitmayr noch viele Jahre auf diesem Drahtseil der anspruchsvollen Unterhaltung tanzen sehen.------------------------------Tatort: Liebeswirren, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD------------------------------Man möchte Batic und Leitmayr noch viele Jahre auf diesem Drahtseil der anspruchsvollen Unterhaltung tanzen sehen.------------------------------Foto : Haben mal wieder Diskussionsbedarf: Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, l.) und Ivo Batic (Miroslav Nemec).