Berlin-Mein Mann und ich sind bereits seit über acht Jahren zusammen und haben zwei Kinder. Für gewöhnlich haben wir einmal in der Woche Sex. Meistens sonntagabends, ohne Tatort versteht sich. Nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht habe, setze ich mich zu ihm aufs Sofa. In aller Regel spielt er dann entweder gerade mit seinem Handy oder sieht sich eine Dokumentation auf dem Laptop an. Ich setze mich dann neben ihn und warte. Darauf, dass er den ersten Schritt macht, denn den muss leider immer er machen. Ich weiß nicht, ob es Faulheit ist oder mangelnde Bereitschaft meinerseits, aber seitdem ich in einer festen und dauerhaften Beziehung bin, ist mein Mann immer derjenige, der sich zuerst an mich schmiegt, mit einer Handbewegung oder mit einem Kuss startet, sodass die Sache dann ihren Lauf nimmt. Hinterher sind wir allerdings beide happy.
Es klingt irgendwie eintönig, ja beinahe schon langweilig, wenn ich mich das selbst so sagen höre: „Wir haben einmal die Woche Sex.“ Das hört sich dann wie eine Ehekrise an – wie ein Sexualleben, wie man es mit Mitte 30 nicht haben möchte, zumindest nicht in der Vorstellung einer 20-Jährigen. Da träumt man doch noch von Tagen und Nächten, die nicht voneinander zu unterscheiden sind, von aufregenden Kinobesuchen und tiefgründigen Gesprächen mit ein, zwei Flaschen Wein. Und dabei endet jeder einzelne Gedanke im gemeinsamen Bett. Und jetzt, Ehering und Kindern – wie viel Sex braucht es da?

Am 7./8. August 2021 im Blatt:
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https://berliner-zeitung.de/wochenendausgabe
Sex ist nicht immer leicht. Wie sich aufraffen?
Obwohl es so gut ist und man sich im Nachhinein denkt: „Wow, das sollte man wirklich häufiger machen!“, ist es trotzdem oft ein bisschen wie beim Sport: Man kann sich vorher einfach nicht dazu aufraffen. Während man am Anfang einer Beziehung meist nicht die Finger voneinander lassen kann, wird man mit der Zeit eben nachlässiger, nicht nur bei der Rasur und der Auswahl der Unterwäsche. Man fängt dann plötzlich an, Ausreden zu suchen, warum man keinen Sex haben möchte: die Arbeit, der Stress, die Müdigkeit, die Kinder. Streitereien über vergessene Aufgaben im Haushalt oder andere Lappalien, die früher keine Rolle gespielt haben, sorgen plötzlich dafür, dass man sich unattraktiv findet und keine Lust mehr auf den Partner oder die Partnerin hat. Und irgendwann muss man sich einfach eingestehen, dass man eines von diesen frustrierten Pärchen ist, das sich fragt, ob es noch die Kurve kriegt oder ob dies womöglich bereits das Ende der Partnerschaft bedeutet.
Dabei weiß man eigentlich, wie viel besser die Beziehung, ja sogar das Leben an sich ist, wenn man öfter Sex hat, schließlich war man in den meisten Fällen schon einmal im Leben an so einem Punkt oder bekommt hier und da eine Kostprobe davon. Wenn man oft und gern Sex hat, beginnt der Tag schon morgens mit einem Lächeln, einem Kuss, mit zärtlichen Berührungen. Die Blicke, die man austauscht, sind dann wieder vertraut und verliebt. Die Sprache untereinander wird achtsamer und liebevoller. Und Unterhaltungen über die gemeinsame Zukunft und über individuelle Bedürfnisse finden auf einmal wieder Gehör.
Aber es stellt sich bei all diesen Dingen immer noch die Frage nach dem Maßstab. Was heißt überhaupt oft? Wenn ich meine Freundinnen dazu befrage, bekomme ich meistens sehr unterschiedliche Antworten und oft habe ich auch prinzipiell das Gefühl, dass sie es eher ihren Freunden beziehungsweise ihren Männern recht machen wollen und selbst gar nicht so oft das Bedürfnis nach Sex haben. Sie behandeln den Sex ihrer Beziehung vielmehr als ein weiteres Häkchen auf ihrer imaginären To-do-Checkliste.
Mit der Häufigkeit ist es so eine Sache
Im Internet finde ich Unmengen an Tipps und Regeln, sogenannte Sex-Kuren, das sind 21-Tage- oder noch besser 30-Tage-Challenges. Alle dieser Tipps enden mit dem gleichen Ergebnis: Regelmäßiger Sex tut einer Beziehung gut. Und am besten man macht es eben täglich, damit Sex zur Gewohnheit und irgendwann wieder selbstverständlich wird. Damit sich die Frage nicht mehr nur nach dem Wann stellt, sondern eben auch nach dem Wie – und dem Wo. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das zu mehr Intimität und Verliebtheit führt. Sex würde zu einem Indikator wiedergefundener Gemeinsamkeit – und nicht zu einem Streitfaktor.
Was aber passiert nach so einer Challenge? Wer kann und will so ein Pensum auf Dauer ernsthaft durchhalten? Ich wüsste spontan mindestens fünf Gründe, warum ich es nicht über die 21 Tage schaffen würde. Kann man sich sozusagen auch über-lieben? Der Vergleich von gutem, exklusivem Essen scheint sich aufzudrängen: Dessen häufiger Verzehr führt immerhin dazu, dass man es nicht mehr wertschätzt und dass das Verlangen danach nachlässt. Oder ist es wie beim Sport: Je öfter man es macht, desto mehr verlangt der Körper danach? Ich bin ehrlich. Nachdem ich meinem Mann davon berichtet und ihn gefragt hatte, ob wir das mal für eine Woche durchziehen wollen, wurden erst die Kinder und dann ich krank.
Faule Ausrede? Vielleicht. Aber grundsätzlich ist das etwas, was ich ausprobieren möchte. Denn dabei geht es nicht darum, dass man nach der Challenge täglich Sex hat oder haben muss – was unmöglich ist –, sondern vielmehr darum, dass Sex einfach wieder ein fester Bestandteil der Beziehung wird. Dass man vereinbarte Termine, Verabredungen, von mir aus auch Uhrzeiten mit der Partnerin oder dem Partner findet, an die sich beide verbindlich halten müssen.
Einmal wöchentlich hört sich letztlich immer noch etwas langweilig an, und mir ist durchaus bewusst, dass da Luft nach oben ist, doch am Ende ist der Sonntagabend eben unser fester Tag in der Woche, unsere solide Regelmäßigkeit, die dafür sorgt, dass keine allzu großen Lücken entstehen. Es vergehen in unserem Haus nicht Wochen und Monate, in denen wir keinen Sex haben.
Es gibt keine wirklichen Ausreden, die dafür sorgen, dass wir diese unausgesprochene Verabredung versäumen. Und dennoch träumen wir von einem Leben, in dem wir sehr viel mehr Sex haben, zu unterschiedlichen Tageszeiten, und erinnern uns an alte Zeiten (ohne Kinder), in denen wir freier und auch spontaner Sex hatten. Im Grunde sollten wir es einfach öfter machen – wie neulich, als mein Mann an einem Montagabend erneut meine Nähe suchte. An einem Montag!
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