NBA-Start

LeBron James gegen Kevin Durant: Das letzte Hurra der alten Garde

Die Vorbereitung auf die NBA-Saison beginnt mit dem Duell der großen Vorjahresverlierer. Die L.A. Lakers und die Brooklyn Nets setzen auf erfahrene Spieler.

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Los Angeles-Es sollte kein Kompliment sein, als der ehemalige Basketballprofi Gilbert Arenas die Los Angeles Lakers „eine männliche Version der Splash Sisters“ nannte. Diese nämlich haben rein gar nichts zu tun mit den Splash Brothers. So werden die beiden genialen Werfer Steph Curry und  Klay Thompson genannt, die die Golden State Warriors zwischen 2015 und 2018 zu drei NBA-Titeln führten. Die Splash Sisters hingegen sind ein Basketballteam aus San Diego, dessen Spielerinnen alle über 80 Jahre alt sind. Ganz so betagt kommen die Lakers nicht daher, doch für die kommende Saison haben sie einen der ältesten Kader in der Geschichte der amerikanischen Basketball-Liga NBA zusammengestellt. Zehn Spieler sind über 30, fünf haben gar die 35 überschritten. „Ladies and Gentlemen: The Los Angeles Methusalems!“

Architekt dieser gewagten Konstruktion ist LeBron James, 36, einer der begnadetsten Basketballspieler aller Zeiten. Er stand in neun der letzten elf NBA-Finals, hat vier davon gewonnen und will unbedingt noch Nummer fünf, bevor er sich in den wohlverdienten Ruhestand begibt. Natürlich hat er all die Witze über sein leicht geriatrisches Konzept gehört. „Einige der Memes und Scherze sind sehr lustig“, erklärte er beim Trainingsauftakt, doch eigentlich finden die Lakers die nicht enden wollende Flut von Spott und Häme längst nicht mehr komisch. Statt jedoch Beschwerde beim Supreme Court wegen Altersdiskriminierung einzulegen, haben sie ein simples Gegenmittel: einfach NBA-Champion werden.

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An diesem Sonntag startet die Vorbereitung auf die am 19. Oktober beginnende Saison mit einem Heimspiel gegen die Brooklyn Nets, den anderen großen Verlierer der vergangenen Spielzeit und Prognosen zufolge größten Rivalen beim neuerlichen Kampf um den Titel. Auch dort setzt man auf Veteranen, und wenn das Konzept aufgeht, könnte der Zweikampf der Lakers und der Nets das letzte Hurra der alten Garde werden, bevor endgültig die jüngere Generation der Millennials das Zepter übernimmt. Die hat mit Akteuren wie Trae Young von den Atlanta Hawks, Devin Booker (Phoenix Suns), Jayson Tatum (Boston Celtics), Luka Doncic (Dallas Mavericks), Donovan Mitchell (Utah Jazz) oder Ja Morant (Memphis Grizzlies) schon zuletzt die Akzente gesetzt, nachdem die favorisierten Nets und Lakers früh gescheitert waren. Ganz zu schweigen von Giannis Antetokounmpo, der seine Milwaukee Bucks eindrucksvoll zur Meisterschaft führte.

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Dennis Schröder und die anderen Talente sind weg

Jetzt will LeBron James zurückschlagen, und sein Mittel ist allen körperlichen Malaisen zum Trotz die konsequente Erhöhung des Durchschnittsalters. Außer ihm selbst und Anthony Davis, auch schon 28, wurde praktisch das gesamte Team ausgetauscht. Dabei ist es nicht mal ein Jahr her, dass die Lakers in der sogenannten „Bubble“ von Orlando, einem coronabedingt in kompletter Isolation ohne Publikum durchgeführten Turnier, den NBA-Titel gewannen. Das war im Oktober 2020, zwei Monate später begann schon die neue Saison, und die Lakers hatten bereits da ihr Team kräftig umgekrempelt, unter anderen kam der deutsche Nationalspieler Dennis Schröder.

Der ist nun genauso weg wie all die anderen jungen Talente, die Generalmanager Rob Pelinka einst als Zukunft der Lakers pries: Brandon Ingram, Lonzo Ball, Kyle Kuzma oder auch der Berliner Moritz Wagner. Noch im März hatten die Lakers Schröder eine Verlängerung um vier Jahre für mehr als 80 Millionen Dollar angeboten, und der Deutsche wurde viel bespöttelt, weil er diese angeblich in der Hoffnung auf einen noch besseren Deal ablehnte. Einen unterschriftsreifen Vertrag habe er jedoch nie gesehen, sagt Schröder, und dass er diesen bekommen hätte, nach dem enttäuschenden Playoff-Aus gegen die Phoenix Suns, wo er so schlecht spielte wie der Rest des Teams, ist äußerst unwahrscheinlich. Nun spielt er für 5,9 Millionen Dollar bei den Boston Celtics.

Die Fäden zieht bei den Lakers längst nicht mehr GM Pelinka, sondern LeBron James, und der sah die Zeit für einen radikalen Umbruch gekommen. Er setzt auf alte Mitstreiter und langjährige Widerparts wie Rajon Rondo und Dwight Howard, beide 35 und Teil des Meisterteams von 2020, Trevor Ariza, 36, DeAndre Jordan, 33, Carmelo Anthony, 37, der 2003 mit James in die Liga kam, und vor allem Russell Westbrook, 32, der Schröders Spielmacherjob übernimmt. Alle topfit, so James, von Alter spricht er ohnehin nicht, nur von Erfahrung, die am Ende den Ausschlag geben soll: „Wir haben einen Haufen Jungs, die schon eine ganze Weile in dieser Liga sind und wissen, wie man gewinnt.“

Bei der Arbeit Schuhgröße 55, im Privatleben reicht eine 53

Das gilt auch für den 33-jährigen Kevin Durant und seine Mitstreiter von den Brooklyn Nets, zu denen arrivierte Haudegen gehören wie James Harden, 32, Kyrie Irving, 29, Blake Griffin, 32, Paul Millsap, 36, LaMarcus Aldridge, 36, der Australier Patty Mills, 33. Wegen wechselseitiger Verletzungen konnten Durant, Harden und Irving in der vorigen Saison kaum zusammenspielen, dennoch hätte es für Brooklyn vielleicht zum Titel gereicht, wenn Kevin Durant nicht so große Füße hätte. Als er im siebten Spiel der Viertelfinalserie gegen Milwaukee in letzter Sekunde einen schier unmöglichen Wurf punktgenau in den Korb setzte, dachten alle, der würde drei Punkte zählen und die Nets wären eine Runde weiter. Doch der Videobeweis zeigte Durants Fußspitze auf der Linie: nur zwei Punkte, Verlängerung, Brooklyn schied aus. Durant schimpfte nicht ganz stubenrein auf seinen „big ass foot“, hatte das Desaster aber auch dadurch ermöglicht, dass er in Spielen Schuhgröße 55 trägt, während ihm im Privatleben eine 53 reicht. Dass er hinterher bei den Olympischen Spielen in Tokio das anfangs schwächelnde US-Team zur Goldmedaille führte, war nur ein schwacher Trost.

Für die Lakers wird es abgesehen von der allgemeinen Wellness-Problematik vor allem darauf ankommen, wie das Zusammenspiel von LeBron James und Russell Westbrook funktioniert, der nicht nur gleichermaßen ehrgeizig ist, sondern auch gleichermaßen spielt. Beide wollen ständig den Ball, beide sind die führenden Protagonisten des Triple Doubles, zweistellige Werte bei Punkten, Rebounds und Assists. Dummerweise gibt es nur einen Ball. Kein Problem, sagt James und verweist auf all die großen Spieler, mit denen er in einem Team stand. Ähnlich sieht es Anthony Davis: „Er war immer in der Lage, die Dinge um sich herum so zu ordnen, wie es am besten war.“

James selbst will nicht das Spiel von Westbrook ändern, sondern sein eigenes. „Russ muss Russ sein, dafür haben wir ihn geholt“, sagt er, „es wird nicht von Anfang an Erdnussbutter und Marmelade sein, aber ich finde immer eine Lösung.“ Das Team, so viel ist klar, wurde für die Playoffs konstruiert, leider liegt davor eine lange Saison, die nach den coronabedingt rudimentären letzten beiden Ausgaben wieder volle 82 Partien pro Team vorsieht. Da müssen die sportlichen Senioren der Lakers möglichst unbeschadet durch, und wenn dann in der entscheidenden Phase tatsächlich Erfahrung mehr wiegt als jugendliche Frische, könnte es klappen. Vorausgesetzt natürlich, Kevin Durant trägt weiterhin Schuhgröße 55.

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.