Berlin-Das Stück Kuchen zum Film fällt wegen der Pandemie aus. Aber nach wie vor läuft in den Wilmersdorfer Eva-Lichtspielen an jedem Mittwoch die Reihe „Der alte deutsche Film“. Seit Jahrzehnten. Zunächst wurden ausschließlich Werke aus den Jahren 1933–45 angeboten, die berühmten Witwen des Stadtbezirks kamen in Scharen. Inzwischen haben sich Publikum und Programm gewandelt, nun werden auch Filme aus den Nachkriegsjahren gezeigt. Nach und nach stieg das 1913 errichtete Kino mit seinen 250 Plätzen und der einzigartigen Vintage-Atmosphäre für jüngeres Publikum zum Geheimtipp auf. Fassade, Foyer und Saal überlebten Krieg, Spekulation und Stadtsanierung. Das „Eva“ erstrahlt heute als Kleinod früher Filmtheaterarchitektur.
Die Produktionsfirma war längst arisiert
Aktuell steht „Kitty und die Weltkonferenz“ auf dem historischen Spielplan. Das Lustspiel war 1939 das Debüt Helmut Käutners und kam so gut an, dass er fortan als einer der wichtigsten Nachwuchsregisseure galt – und von der Einberufung zur Wehrmacht befreit wurde. Dass Käutner sich um den drohenden Krieg Gedanken machte, ist dem Film deutlich anzumerken. Es geht schon im Vorspann los: Das Logo der Terra-Filmkunst zeigt in einer Tricksequenz die sich drehende Erdkugel, dann wird auf Europa gezoomt, dann auf die Schweiz, schließlich auf Lugano, den Ort der Handlung. Damals war der Terra-Gründer Erich Morawsky bereits wegen der Nürnberger Gesetze aus Deutschland geflohen, seine Firma war längst „arisiert“. Nicht nur deshalb verblüfft die vorgebliche Weltoffenheit. Eine NS-Komödie über eine globale Konferenz, kurz vor Ausbruch des verheerendsten Krieges in der Menschheitsgeschichte?

Am 6./7. November 2021 im Blatt:
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Pure Unbekümmertheit waltet auch im Plot. Die Titelheldin Kitty arbeitet im Kosmetiksalon des Grandhotels Eden. Als in Lugano die Herren aus aller Welt eintreffen, um über die Zukunft des Planeten zu verhandeln, gerät sie in helle Aufregung. Im Gewusel von Diplomaten, Spekulanten und Journalisten gerät ihr Blut in Wallung. Unwissentlich freundet sie sich ausgerechnet mit dem britischen Außenminister an, rutscht dadurch in politische Intrigen. Dass ein junger sympathischer Reporter um ihr Herz kämpft, bemerkt sie dabei fast zu spät.
Der Presse und Goebbels gefiel der Film
Die 17-jährige Hannelore Schroth spielt die Naivität ihrer Kitty bravourös, niemals karikierend. Souverän auch Paul Hörbiger als grantelnder Hotel-Prinzipal. Die Lieder des einstigen Schönberg- und Strawinsky-Schülers Michael Jary haben Hit-Potenzial. Und Käutners Dialoge sitzen haarscharf, fast wie bei Lubitsch. Nach der Premiere am 25. August 1939 in Stuttgart war die Presse des Lobes voll. Auch Goebbels soll den Film gemocht haben. Fünf Wochen später war es dann auch nicht der Propagandaminister, der auf ein Verbot drängte, sondern sein Spießgeselle Ribbentrop, zuständig für „Äußeres“. Nach dem Überfall auf Polen am 1. September und der Kriegserklärung durch Großbritannien zwei Tage später erschien ihm der Auftritt seines britischen Kollegen in dieser Komödie unangemessen. Der Mann wirkte einfach viel zu sympathisch.
Kitty und die Weltkonferenz, 10. November, 15.45 Uhr, im Rahmen der Reihe Der alte deutsche Film (immer mittwochs 15.45 Uhr), Eva-Lichtspiele.
