Berlin-Der 11. September 2001 war ein Tag, der die westliche Welt für immer verändern sollte. Am Morgen dieses Tages entführten 19 Terroristen in drei Fünfergruppen und einer Vierergruppe vier amerikanische Passagierflugzeuge. Um 8.46 Uhr flog zunächst eins der Flugzeuge in den Nordturm der Zwillingstürme des World Trade Centers in New York. Um 9.03 Uhr schlug das nächste Flugzeug in den Südturm der Twin Towers ein, während die ganze Welt vor dem Fernseher saß und den Anschlag live miterlebte.
Um 9.43 Uhr stürzte ein Flugzeug ins Pentagon in Washington, D.C., die Meldungen überschlugen sich. Wegen der sich stark ausbreitenden Hitze und immensen Schäden am World Trade Center stürzten die Zwillingstürme im Laufe des Tages ein und hinterließen eine Schneise der Verwüstung, die New York City wie eine Art Kriegsschauplatz aussehen ließ. 2977 Menschen fielen dem Anschlag zum Opfer, mehr als 6000 wurden verletzt.
Kein Ereignis des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts hatte für die USA derartige Konsequenzen wie 9/11. Die Vereinigten Staaten unter Präsident George W. Bush und die ganze westliche Welt fühlten sich in ihrem Zentrum getroffen und so verletzlich wie nie zuvor. Die Bilder des Schreckens, die Monumentalität des Anschlags und die Unvorstellbarkeit seiner Durchführung hinterließen Wunden, Traumata und Schocks, die in der amerikanischen Seele bis heute nicht richtig verheilt sind.
14 der 19 Attentäter hatten einen saudischen Pass
Beeinflusst von den Bildern und dem unsäglichen Schmerz entschieden sich die USA für eine schnelle und harte Reaktion. George W. Bush identifizierte das islamistische Terrornetzwerk Al Kaida unter Führung von Osama bin Laden als Verantwortliche hinter den Anschlägen und beschloss in enormer Schnelligkeit und ausgestattet mit einer neu verabschiedeten Machtfülle, einen „War on Terror“, einen Krieg gegen den Terror einzuläuten. Der US-Präsident erklärte der Welt, dass jetzt der Zeitpunkt der Entscheidung gekommen sei und jedes Land sich zu den USA bekennen müsse – oder sich durch Schweigen und Nichthandeln automatisch auf die Seite der Terroristen schlage.
Für die USA und die westliche Welt stellte sich nach dem 11. September 2001 die Frage, wie man in einen Kampf zieht, in dem der Gegner keine fest umrissenen Konturen besitzt. Oder anders gesagt: Wie kann ein Staat einen Krieg gegen den Terrorismus, gegen international agierende Netzwerke führen, wenn sich diese Netzwerke einer staatlichen Form entziehen?
Die Amerikaner benannten das Taliban-Regime in Afghanistan als Verantwortungsträger für die Anschläge von 9/11. Allerdings hatten 14 der 19 Attentäter einen saudischen Pass, auch der Kopf der Terroristengruppe Osama bin Laden war saudischer Staatsbürger. Saudi-Arabien galt damals wie heute als enger Verbündeter der USA und wurde deshalb offiziell nicht als Mitschuldiger identifiziert. Einige der Terroristen hatten ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland gehabt. Die Widersprüche spielten keine Rolle. Stattdessen hieß es damals, dass die afghanischen Taliban den saudischen Terroristen Unterschlupf gewährt hätten und somit für die Anschläge die politische Verantwortung tragen müssten. Das war der Auftakt für den Afghanistan-Krieg.
Osama bin Laden hielt sich bei seiner Ergreifung in Pakistan auf
George W. Bush forderte die Taliban auf, ihre Unterstützung für das Terrornetzwerk Al Kaida aufzugeben und Osama bin Laden und seine Mitstreiter auszuliefern. Doch die damals an der Macht befindlichen Taliban, die seit 1996 ein mittelalterliches Terrorregime in Afghanistan etabliert hatten, weigerten sich, die Terroristen auszuhändigen. Und so brachten die USA mit ihren alliierten Verbündeten in den kommenden Wochen und Monaten ohne großen Widerstand nicht nur das gesamte Staatsgebiet Afghanistans unter ihre Kontrolle, sondern versuchten auch fieberhaft, die Terroristen in einer der gebirgigsten Regionen der Welt ausfindig zu machen.

Erst Jahre später erzählen sie einander, was sie am Tag des Terrors erlebt haben. Daraus wird ein Buch, das es nun als Hörbuch gibt, gelesen von den Autoren: 9/11 - Ein Paar, zwei Erzählungen. Sechs Folgen – ab 6. September 2021 auf allen Podcast-Portalen und auf www.berliner-zeitung.de
Eine Produktion von Berliner Zeitung,
Der Spiegel und Radioeins.
„Jeder wollte damals dabei sein“, sagte der ehemalige ISAF-Kommandeur und US-General Stanley McChrystal 2019 rückblickend in einem Fernsehinterview – „zumindest alle Soldaten, die ich kannte. Sie waren der Überzeugung, Al Kaida müsse bestraft werden. Alle, die nicht dabei waren, haben die Spezialeinheiten angefeuert.“ Es war wie ein Kriegsrausch. Freilich ein Rausch ohne Erfolg. Erst 2011 gelang es einem Team der amerikanischen Spezialeinheit der Navy Seals, den Terroristenführer Osama bin Laden ausfindig zu machen und in einem Schusswechsel auszuschalten. Am Ende hielt er sich nicht in den afghanischen Bergen auf, sondern im pakistanischen Abottabad.
Raum für Verschwörungstheorien
Seitdem wird viel darüber gestritten, welchen Anteil Afghanistan überhaupt an den Anschlägen des 11. September hatte, ob der Krieg nicht vermeidbar oder gar sinnlos war, da er sich nicht gegen die Attentäter und Al Kaida selbst richtete, sondern gegen ein ganzes Land. Einige glauben daher bis heute an eine Verwicklung staatlicher Stellen Saudi-Arabiens und des Königshauses.
Nicht nur waren die Attentäter unter Mohamed Atta größtenteils saudische Staatsbürger. Im Dezember 2002, nachdem das US-Repräsentantenhaus und der Senat einen Untersuchungsbericht zum Anschlag veröffentlicht hatten, ging Präsident George W. Bush sogar so weit, Passagen, die als mögliche Indizien für eine „Saudi Connection“ dienen könnten, als „vertraulich“ einzustufen.
Das bot Raum für allerlei Verschwörungstheorien. Unter anderem jene, dass die Bushs eng mit dem saudischen Königshaus verbandelt gewesen seien, ihre eigenen Ölgeschäfte vor dem 11. September mit saudischem Geld finanziert und daher anschließend versucht hätten, eine halb-staatliche Beteiligung Saudi-Arabiens am Anschlag zu vertuschen. Als dann 15 Jahre nach dem 11. September schließlich ein Großteil der 29 Seiten des Berichts veröffentlicht wurde, war die Enttäuschung bei vielen groß. Der Bericht enthielt keinerlei nennenswerten Beweise.
Ein doppeltes Spiel
Eine Verwicklung des saudischen Königshauses konnte letztlich nicht nachgewiesen werden. Aber zumindest belegen die Dokumente, dass ein para-staatliches Netzwerk existierte, in dem es keine scharfe Abgrenzung zwischen staatlichem Handeln und der finanziellen Unterstützung der wahhabitischen Glaubensrichtung im Ausland durch Saudi-Arabien gibt. Der islamistische Terror fußt eben nicht auf nationaler Souveränität, sondern auf Ideologie und Überzeugung, die sich in verschiedenen Formen international vernetzt. Es ist schwer, gegen so ein Konstrukt Krieg zu führen.
Ähnlich wie Pakistan war und ist auch Saudi-Arabien ein Zwitterstaat, der auf der einen Seite als Verbündeter und Öllieferant des Westens auftritt und auf der anderen die Konflikte mit der fundamentalislamischen Geistlichkeit im eigenen Land mit verdeckter Unterstützung schlichten muss, um die Macht zu halten.
All diese Details lassen heute die Frage, ob der Kriegseinsatz nach 9/11 in Afghanistan die richtige Antwort auf den Terror war, noch drängender erscheinen. Das ändert nichts an der tiefen Trauer, die wir heute – 20 Jahre nach den Anschlägen auf das World Trade Center – immer noch beim Anblick der Bilder verspüren. Auf den Seiten der Berliner Zeitung am Wochenende vom 4./5. September 2021 soll einerseits den Opfern gedacht und zusätzlich rückblickend die Frage gestellt werden, ob der Westen damals überhaupt richtig agierte, indem er in den Krieg gegen Afghanistan zog. Wir haben für diese Ausgabe die Debatte im Bundestag rekonstruiert, die 2001 über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr entschied. Außerdem finden Sie Gastbeiträge von Gregor Gysi (Linke) und Peter Tauber (CDU), die mit Rückblick auf den 11. September über die Sinnhaftigkeit des deutschen Afghanistan-Einsatzes debattieren.
In einer Woche folgt in der Berliner Zeitung am Wochenende ein Spezial, das die persönliche Erinnerung unserer Leserinnen und Leser fokussieren soll. Die Redaktion der Berliner Zeitung am Wochenende würde sich freuen, wenn Sie uns in den kommenden Tagen Ihre Eindrücke schildern und erzählen, wie (und wo) Sie den 11. September 2001 persönlich erlebt haben. Wir publizieren am 11. September 2021 eine Auswahl der Beiträge in der Berliner Zeitung am Wochenende, zum 20. Jahrestag der Anschläge. Lesen Sie außerdem in der aktuellen Wochenendausgabe zum Auftakt unseres 9/11-Spezials, das auch in der Berliner Zeitung kommende Woche fortgeführt wird mit historischen und politischen Eindrücken und Analysen, das Interview mit den Journalisten Anja Reich von der Berliner Zeitung und ihrem Mann Alexander Osang vom Spiegel. Beide lebten am 11. September 2001 in New York und haben aus der verwundeten Metropole berichtet.
Anja Reich und Alexander Osang haben über ihren ganz persönlichen 11. September ein Buch geschrieben, das es ab Montag, den 6. September, erstmals in Form eines Podcasts zu erleben gibt, gelesen von den Autoren. „Wo warst du? 9/11 – Ein Paar, zwei Erzählungen“ wird auf der Website der Berliner Zeitung und allen Podcast-Plattformen zu hören sein. An jedem Tag bis zum 11. September erscheint ein neues Kapitel.
Es wird Zeit, nicht nur der Anschläge zu gedenken, sondern auch Schlüsse aus ihren Folgen zu ziehen. Begleiten Sie uns bei der Trauer, Erinnerung und Reflexion.
Info: Die Berliner Zeitung begleitet den 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September mit Sonderseiten. Am 11. September 2021 wollen wir Berichte und Fotos von Lesern publizieren, die sich an den 11. September erinnern. Wo und wie haben Sie die Ereignisse erlebt? Briefe und Bilder bitte an: briefe@berliner-zeitung.de. Längere Texte, die honoriert werden, können online über unser Portal Open Source eingereicht werden: https://www.berliner-zeitung.de/opensource
Schreiben Sie uns! Schicken Sie uns Ihre Erinnerungen! An: briefe@berliner-zeitung.de

