Indischer Brunnen im Luisenstädtischen Kanal
Das Engelbecken in Mitte kurz hinter der Grenze zu Kreuzberg ist ein recht malerischer Ort, ein künstlicher See und ein Café sorgen innerstädtisch für ein wenig südländisches Flair, die Häuser drumherum sind begehrte Mietobjekte. In südwestlicher Richtung verläuft das Gartendenkmal Luisenstädtischer Kanal und kurz nach seinem Beginn thront in der Mitte der sogenannte Indische Brunnen, eine unförmige Scheußlichkeit in Bronze, die Teilrekonstruktion eines Brunnens des Bildhauers Walter Schott unter der Einbeziehung historischer Reste, denn Schotts Brunnen wurde in den Wirren der Nachkriegszeit verschüttet und erst Mitte der 90er-Jahre wiederaufgebaut.

Das Schönste daran ist das Goldmosaik am Fuß des Wasserbeckens, das zu funkeln beginnt, wenn sich das Sonnenlicht im Wasser der Anlage bricht. Darüber thront dann das Grauen in Form eines Bronzekegels voller speiender Löwenköpfe, die sich in fünf ringförmigen, nach oben verjüngenden Etagen abwechseln mit Frauenfiguren im Lotussitz. Der Brunnen ist eine Rekonstruktion des Künstlers Gerald Matzner und auch unter Einbeziehung seiner historischen Bedeutung als Teil einer Grünanlage von Erwin Barth erscheint einem das Trumm inmitten des malerischen Gartendenkmals nicht schöner. Gekrönt wird der Indische Brunnen von einer barbusigen und seltsam entrückt wirkenden Figur, die vermutlich eine meditierende Tempeltänzerin darstellen soll – oder eben das, was man sich hierzulande darunter vorstellte. Die „Kreuzberger Chronik“ sieht darin Buddha, das kann natürlich auch sein, so gut kenne ich mich mit indischer Mythologie nicht aus.
Der plätschernde Bronzezapfen wirkt jedenfalls wie die überkandidelte Außenwerbung eines drittklassigen Kreuzberger Yoga-Instituts mit angegliederter Esoterikschule und ist gleichzeitig von so monumentaler Hässlichkeit, dass man sich fragt, ob wirklich alles wiederaufgebaut werden muss, was es mal gegeben hat, siehe Stadtschloss. Beide Bauten, Brunnen und Humboldt-Forum, lassen sich unter der Bezeichnung „grausiger Kitsch“ summieren und wirken in ihrem falschen Protz und ihrer kolonialen Aneignung so modern wie die Idee, sich mit einer Pferdekutsche durch die Stadt fahren zu lassen. Retrospektive Geschichtsvergessenheit von ihrer unnötigsten Seite in West wie Ost. Marcus Weingärtner
Trübe Brühe im Invalidenpark
Die Tristesse des Invalidenparks in Mitte ist geradezu lähmend. Nicht ganz unschuldig daran ist das wuchtige Gebilde, das inmitten eines riesigen Beckens mit stehendem, rostbraunem Schlammwasser gen Himmel ragt. Es sieht aus wie eine skulpturale Abstraktion der untergehenden Titanic.

Am 7./8. August 2021 im Blatt:
Freiheit oder Furcht? Wie die Pandemie uns verunsichert, trennt und vereint
Lars Eidinger in Bad Gastein: Der Schauspieler will als Fotokünstler ernst genommen werden
Die Grünen wollen Berlin zum Bullerbü machen. Ist das gaga oder visionär?
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Emmy für Berlin? Ein Porträt der Kostümbildnerin von „Das Damengambit“
https://berliner-zeitung.de/wochenendausgabe
An der Stirnseite der Titanic plätschert ein Rinnsal der offenbar im Inneren hochgepumpten Brühe hinab in das flache Becken, und man fragt sich, was dieser deprimierende Effekt wohl die Stadt kosten mag. Kein Schild erklärt einem diese unangenehme Installation, nur ein Hinweis warnt: Liegewiese, Ballspiele nicht gestattet. Jedoch will man hier weder Bälle werfen noch im Gras verweilen. Im Internet erfährt man, dass der Brunnen „Sinkende Mauer“ heißt und im Jahr 1997 nach einem Entwurf des französischen Landschaftsarchitekten Christophe Girot fertiggestellt wurde. Wie konnte das passieren?
Nun, Girot, nicht selbst wohnhaft in Berlin, dachte wohl damals weniger an einen bürgerfreundlichen Ort der Naherholung als an ein aufrüttelndes Mauerdenkmal mit mysteriöser Aura. Er konzipierte und realisierte sein Werk mit geografischem Abstand und wollte wahrscheinlich keinen mainstreamigen Kitsch erschaffen, sondern ein mutiges intellektuelles Exempel seines künstlerischen Schaffens statuieren. Da hatten die ordinären Bedürfnisse von Ottonormalverbraucher eben keinen Platz. Dass die Berliner Mauer ganz anders aussah und 1989 auch nicht wie ein riesiger Vergnügungsdampfer diagonal im Wasser versank, ist somit auch mit Girots künstlerischer Freiheit zu erklären. Es erschwert dem geplagten Parkbesucher jedoch zusätzlich das Verständnis für das Werk.

Trotzdem hat die sinkende Mauertitanic zumindest ein kleines Feature, das Ablenkung verschafft. Man kann nämlich auf ihr hinauflaufen und sich den ganzen Schlamassel von oben angucken. Neben dem Becken mit der trüben Brühe ist das die Anlage ringsum, mit überwucherten und kleinteilig asphaltierten Wegen, die jedwede Großzügigkeit der Fläche optisch im Keim ersticken. Am Horizont erhebt sich eine DDR-Platte, dahinter ein Fabrikschornstein. Auf der anderen Seite schaut man auf unambitionierte Nachwende-Office-Architektur in der Invalidenstraße. Einzig die Flanken schmücken behördliche, historische Gebäude in elegantem Beige, die dem Auge in den jeweiligen Sichtachsen Linderung verschaffen. Doch kaum hat man sich durch den Anblick ein bisschen beruhigt, grellen einem schon die Sirenen der Krankenwagen aus den nahe liegenden Krankenhäusern der Charité und Bundeswehr um die Ohren. Es ist einfach nicht zum Aushalten hier. Sabine Röthig
Brunnen auf dem Wittenbergplatz
Hobby-Brunnenexperten wissen natürlich, dass es auf dem Wittenbergplatz gleich zwei Brunnen gibt. Einmal den Nordbrunnen, der wie ein aufgequollener Pilz wirkt. Und dann gibt es noch den Südbrunnen des Bildhauers Waldemar Grzimek, der in seiner figuralen Direktheit bestens die Schnoddrigkeit der West-Berliner 80er-Jahre verkörpert. Ja, der Südbrunnen namens „Lebensalter“ ist so kitschig, wie der Name schon sagt.
1980 kam der damalige Senator für Bau- und Wohnungswesen auf die Idee, den Wittenbergplatz neu zu gestalten. Ausgewählt hatte man den Ostpreußen und ehemaligen Hitlerjungen Grzimek. Wenn man heute vor dem Brunnen steht, fühlt man sich von seiner gewalttätigen Präsenz geradezu abgeschreckt. Anders gesagt: Die Dialektik des Ensembles ist nicht mehr zeitgemäß, schließlich sollen die Figuren nicht nur das menschliche Älterwerden samt Verfallsprozess verkörpern, sondern auch die unterschiedlichen Qualitäten der Geschlechter.

Man kann ja sagen, dass der Ostpreuße Grzimek natürlich nicht mit heutigen Standards an das Thema herangehen konnte. Trotzdem: Die Inszenierung der Geschlechter wirkt klischiert. Während ein lässiger Typ recht bräsig den gusseisernen Kopf unter das Wasser streckt und den Betrachter ausgesprochen eitel anschaut, muss eine alte Frau am anderen Ende des Brunnens mit einem frustrierten Blick durch die Gegend glotzen. Die einzelnen Elemente wirken überladen und zu dick aufgetragen. Die Figuren sehen so spießig aus, als wären sie aus einer jener evangelischen Kirchen gestohlen worden, die im Westen Deutschlands vielfach lieblos hingeklotzt wurden. Der Wittenbergplatz ist insgesamt kein Charmebolzen, insofern passt die Brunnen gewordene Spießigkeit recht gut zu der restlichen Raumgestaltung.
Doch will man das wirklich noch haben in einem Berlin, das sich der Moderne und der Vielfalt verschrieben hat? Die Kinderfiguren plätschern ironiefrei, eine weitere muskelbepackte Männerfigur schaut so stoisch in die Ferne, als würde sie testosterongeladen einen nächsten Angriffskrieg vorbereiten. Und die Frauenfigur daneben? Sie guckt so nixenhaft durch die Gegend, als hätte sie den letzten Knall nicht gehört. Dieser 80er-Jahre-Nachkriegsbrutalismus ist so abschreckend wie eine zu kurz gegrillte Bratwurst. Tomasz Kurianowicz
Wasserspiele vor dem Paul-Löbe-Haus
Die neue Hauptstadt der neuen Bundesrepublik hat sich ja ein kleines Brasilia in spießig und kalt mitten ins Zentrum gebaut. Und Mittelpunkt des lebensfeindlichen neuen Regierungsviertels des vereinten Deutschlands ist ja der kleine Springbrunnen vor dem Paul-Löbe-Haus. Auf Google Maps heißen die – eigentlich immer defekten – senkrechten Fontänen, die nachts in grellen Farben angestrahlt werden, schlicht: Wasserspiele.
Bevor wir hier jetzt für Sie erläutern, warum diese erst vor wenigen Jahren vollendete Fontäne, inklusive aller umliegender Gebäude, auch das Bundeskanzleramt (aber nicht die Schweizer Botschaft, denn die ist sehr ansehnlich!) ist gemeint, wieder planiert gehört, muss gesagt werden: Dieser Text ist nur für echte Berliner. Denn sie wissen noch weniger über diesen schrecklichen Ort Bescheid als die vielen Touristen, die sich das alles antun müssen.

Denn auf dem kleinen Platz vor dem Haus der Parlamentarier fühlt man sich nicht im Machtzentrum der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, sondern wie auf dem Bahnhofsvorplatz in Kassel-Wilhelmshöhe. My heart is in Kassel ist hier das Motto! Ich wäre gerne dabei gewesen, wie Ende der Neunziger ziemlich gelangweilte und durchschnittliche Stadtplaner dieses neue „Herz der Hauptstadt“ am Reißbrett geplant haben. Schaut man sich die Details der Betonhölle an, können die eigentlich nur beim Rauchen von Crystal Meth in einer Scheune in der Uckermark entworfen worden sein.
Denn wer pflanzt Bäume in runde Steinkreise, die dann im Jahr 2021 aussehen wie volle Aschenbecher. Oder warum haben die Laternen, die auf dem ganzen Platz verteilt stehen, genau die Form von Zahnarztspiegeln? Damit der Besucher des Regierungsviertels nicht an Freiheit, Würde und Demokratie denkt, sondern an eine langwierige Wurzelbehandlung? Und warum eigentlich hat man vor dem Bundeskanzleramt organische Rasenflächen angelegt, die von einem rostigen Zaun durchschnitten werden? Um zu zeigen, wie fluide das Verhältnis zwischen Verfassung, Volk und Politikern ist?
Nach dem Motto: Jeder kann ein Politiker und vielleicht ein Kanzler sein. Das Problem dabei ist nur, niemand, der auch nur ein bisschen bei Verstand ist, will heute noch Politiker werden. Die Menschen stellen nämlich – anders als Philipp Amthor – inzwischen hohe Ansprüche an ihren Arbeitsplatz. Da reicht kein Filterkaffee mehr. Deutschland bekommt wahrscheinlich erst wieder bessere Politiker, wenn man das ganze Viertel abgerissen und wieder neu aufgebaut hat. Jesko zu Dohna
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