Energie

Nord Stream 2: Russland attackiert EU-Kommission

Unmittelbar vor dem Treffen von Bundeskanzlerin Merkel beim russischen Präsidenten Putin pocht Moskau auf seine Position.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow. 
Der russische Außenminister Sergej Lawrow. tass/Imago

Unmittelbar vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag in Moskau hat der russische Außenminister Sergej Lawrow die EU-Kommission wegen derer Opposition gegen die Pipeline Nord Stream 2 attackiert. Westliche Staaten würden versuchen, das Projekt zu untergraben, aber sie sind alle zum Scheitern verurteilt, da die Pipeline „fast bis zur letzten Meile gebaut“ sei, sagte Lawrow am Dienstag bei einem Treffen mit Professoren und Studenten der Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad.

Lawrow kritisierte, dass die Europäische Kommission „trotz der offiziellen Stellungnahme ihrer Anwälte das Dritte Energiepaket der Europäischen Union rückwirkend auf Nord Stream 2 ausgeweitet“ habe, berichtet die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass. Laut Artikel 1(1) der Richtlinie (EU) 2019/692 vom 17. April 2019 (die „Änderungsrichtlinie“) ist die Europäische Gasrichtlinie nun auch auf Verbindungsleitungen anzuwenden, die von einem Drittstaat in die EU führen und nicht mehr nur, wie zuvor, auf Pipelines innerhalb der EU. Demnach sind die Regelungen über die Entflechtung der Fernleitungsnetze und der Fernleitungsnetzbetreiber, der Zugang Dritter und die Festlegung der Fernleitungs- oder Verteilungstarife durch die Mitgliedstaaten nun auch auf Nord Stream 2 anzuwenden.

Gemäß einer Klage, die Nord Stream 2 am 26. September 2019 vor dem Schiedsgericht unter dem Energiecharta-Vertrag gegen die EU eingereicht hat, würde die Anwendung der Richtlinie dem Unternehmen mindestens acht Milliarden Euro Verlust bescheren. Nord Stream 2 will vor dem Schiedsgericht beweisen, dass es sich um ein Gesetz handelt, das mit der Energie-Charta nicht vereinbar ist. Laut der Klageschrift, die dieser Zeitung vorliegt, zielt das Gesetz darauf ab, das gesamte Projekt Nord Stream unwirtschaftlich zu machen und so den Betrieb zu verhindern.

Gericht soll über Ausnahmeregelung für Nord Stream 2 entscheiden

Die EU sieht dagegen keine explizite Benachteiligung der geplanten deutsch-russischen Pipeline. Eine Sprecherin der Kommission sagte der Berliner Zeitung: „Das Europäische Parlament und die EU-Staaten haben die Änderung der Gasrichtlinie im April 2019 beschlossen. Sie sorgt dafür, dass die Grundsätze des Dritten Energiepakets der EU – also der Zugang Dritter, Entgeltregulierung, eigentumsrechtliche Entflechtung und Transparenz – auf dem gesamten EU-Gebiet und für alle Gasleitungen gelten, auch für die, die in Drittländer hinein- oder aus Drittländern herausführen.“

Ausnahmen für bereits bestehende Gasleitungen seien „in der geänderten Richtlinie explizit vorgesehen“. Die „Entscheidung über solche Ausnahmen lag und liegt bei den nationalen Aufsichtsbehörden unter Einbindung der EU-Kommission“, so die Sprecherin. Für die EU ist klar, dass Nord Stream 2 unter die Richtlinie fällt. Die Sprecherin: „Die Richtlinie trat am 23. Mai 2019 in Kraft. Alle Gasleitungen, die sich dann in Planung oder im Bau befanden, fallen gemäß der von den EU-Staaten und dem Europäischen Parlament beschlossenen Richtlinie in ihren Geltungsbereich.“

Laut der Klageschrift wird Nord Stream 2 versuchen, so schnell als möglich nach der Fertigstellung die Bestätigung der zuständigen deutschen Behörde einzuholen, in der festgestellt wird, dass Nord Stream 2 unter die Ausnahmeregelungen fällt.

Die Frage wird also sein, wie Deutschland auf diese Anfrage reagiert und ob die zuständige deutsche Behörde diesem Wunsch entsprechen kann.

Zuletzt hatte die US-Regierung den Widerstand gegen den Bau der Pipeline aufgegeben. Allerdings haben transatlantische Experten und US-Politiker stets versichert, dass ihre Bedenken gegen die Pipeline keinesfalls vom Tisch seien. Die Idee, die Pipeline schließlich am Betrieb zu hindern, wird bereits seit Monaten diskutiert. Es wird erwartet, dass die Zukunft von Nord Stream 2 auch am Freitag beim Treffen von Merkel und Putin eine wichtige Rolle spielen wird.