Bei allen Differenzen verbindet Mario Draghi und Matteo Salvini eine gemeinsame Feindschaft: Sie wollen verhindern, dass die Chefin der Fratelli d’Italia, Giorgia Meloni, in Rom an die Macht kommt. Die 45-Jährige, einstige Parteikollegin von Silvio Berlusconi hat es geschafft, ihre rechtskonservative Partei in den Umfragen an die Spitze zu hieven. Die Fratelli liegen aktuell bei über 22 Prozent – ein steiler Aufstieg von 4,8 Prozent gegenüber den Wahlen im Jahr 2018.
Die frühere Agitatorin der faschistischen Nachwuchsbewegung Fronte della Gioventù hat bereits große politische Erfolge zu verbuchen: 2008 wurde sie unter den Fittichen von Berlusconi mit 31 Jahren die bis dahin jüngste Ministerin in der Geschichte der italienischen Republik. Sie wirkte als Jugend- und Sportministerin, überwarf sich jedoch einige Jahre später mit Berlusconi und gründete die Fratelli d’Italia. Sie fordert Neuwahlen in Italien und will den früheren EZB-Chef Draghi als Ministerpräsident stürzen.
Dieser sagte am Mittwoch im italienischen Parlament, er erwarte eine stabile Regierung, denn er sei nicht von den Parteien ins Amt gehoben worden, sondern vom italienischen Volk – eine gewagte Aussage, da Draghi sich noch nie einer demokratischen Wahl gestellt hat. Meloni kennt dagegen Wahlen und den Arbeitsalltag der einfachen Leute aus eigener Erfahrung: So arbeitete sie eine Zeit lang als Kellnerin im berühmten Piper Club in Rom, wie sie dem Corriere della Sera sagte. Sie erinnert in dem Interview auch an ihre alleinerziehende Mutter und die finanziellen Probleme der Familie. Gesellschaftspolitisch steht ihre Partei im ultrakonservativen Spektrum, mit homophoben Tendenzen. Vor einigen Jahren war Meloni noch Euroskeptikerin, heute unterstützt sie einen harten Kurs gegen Russland.
Ihr größtes Interesse an einem Regierungswechsel besteht in der anstehenden Verteilung der EU-Corona-Milliarden. Der Großteil der 750 Milliarden Euro aus Brüssel geht an Italien. Die Transparenzvorschriften sind locker, weshalb mit diesem Geld auch politische Weichenstellungen finanziert werden. Auch wenn Meloni jetzt noch nicht zum Zug kommen sollte: Am Donnerstag will die EZB günstige Zinssätze für Staatsanleihen in problematischen Eurostaaten auf den Weg bringen. Die Renditen der italienischen Papiere waren in den vergangenen Tagen in die Höhe geschossen. Dann wird es für jeden italienischen Regierungschef noch leichter, Geld zu verteilen – egal wer an die Macht kommt.
Regierung von Mario Draghi am Ende
Seit Mittwoch ist das Ende der Ära Draghi wahrscheinlicher denn je: Drei Koalitionspartner verweigerten ihre Teilnahme an einer von Draghi geforderten Vertrauensabstimmung. Das Votum überstand der Regierungschef dann zwar, als Voraussetzung für seinen Verbleib im Amt hatte er jedoch die Unterstützung der Partner genannt.


