Die Weltwirtschaft steht am Scheideweg. Für das laufende Jahr geht die Weltbank von einem globalen Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent aus. Abgesehen von den Krisenjahren 2009 und 2020 wäre es der niedrigste Wert seit fast drei Jahrzehnten. In den USA und der EU sieht die Lage noch düsterer aus, hier kalkuliert die Weltbank mit Werten nahe der Stagnation. Deutschland trägt mit einem Minus von 0,1 Prozent die rote Laterne.
Großkonzerne schwimmen im Geld
Stellt sich die Frage, wer zahlt für die Krise? Die Großkonzerne werden es wohl nicht sein. Die Aktiengesellschaften in Deutschland wollen in diesem Jahr insgesamt das Rekordergebnis von rund 75 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner ausschütten – eine Steigerung von neun Prozent im Vergleich zu 2022.
Die Großbank Morgan Stanley geht davon aus, dass die sinkende Inflation ein Zeichen für eine nachlassende Nachfrage ist. Die Inflation sei derzeit bei vielen Unternehmen die einzige Stütze für positive Umsatzentwicklungen. Würde die Inflation weiter stark sinken, sei zudem mit einem Rückgang der Unternehmensgewinne für mehrere Monate zu rechnen. Deshalb geht die Bank davon aus, dass es bald zum Ausverkauf auf dem Aktienmarkt kommen wird. Um mehr als 20 Prozent könnten die Kurse einbrechen, schätzt Morgan Stanley.
IWF: Löhne und Investitionen senken
Die Warnung ist mehr als nur heiße Luft. Denn viele Investoren haben den Daumen bereits gesenkt. Shortseller, die ihr Geld mit erfolgreichen Wetten auf sinkende Kurse verdienen, haben in den USA ihre Positionen auf fast eine Billion US-Dollar ausgebaut. Die Summe entspricht fast dem Bruttoinlandsprodukt der Niederlande.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) empfiehlt, die Krisenlasten auf die einfache Bevölkerung abzuwälzen. Statt Investitionen und Lohnsteigerungen sollen Haushaltsdisziplin und steigende Arbeitslosigkeit aus der Krise führen. Instrumente, wie sie während der Euro-Krise in Griechenland angewendet wurde. Die Vizechefin des IWF, Gitta Gopinath, sagte dem Handelsblatt: „Die Art und Weise, wie man die Inflation verringert, ist, die Nachfrage zu dämpfen, was auch bedeutet, den Arbeitsmarkt zu schwächen. Also ja, wir werden einen Anstieg der Arbeitslosigkeit sehen, was normalerweise mit einem Rückgang der Inflation einhergeht.“
Ökonominnen kritisieren Austeritätskurs
Doch unter Ökonominnen werden immer mehr Stimmen laut, die für eine Abkehr vom Austeritätskurs sind. Die Beraterin des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England, Silvana Tenreyro, nannte ihre Kollegen, die sich für weiter steigende Zinsen starkmachen, „Narren unter der Dusche“, die sich selbst verbrühten, weil sie zu ungeduldig seien zu warten, bis das Wasser kühler werde. Die Zinssätze seien bereits zu hoch, als dass die Wirtschaft sie tragen könne.



