Energie

Flüssiggas kommt: „Putin soll in der Hölle verrotten!“

Mit dem Ende von Nord Stream hofft die Flüssiggas-Industrie auf den großen Durchbruch. Das Ganze wird allerdings teuer und nicht besonders ökologisch. 

Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner bei der Eröffnung der Höegh Esperanza, am Samstag in Wilhelmshafen. 
Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner bei der Eröffnung der Höegh Esperanza, am Samstag in Wilhelmshafen. www.imago-images.de

Bundeskanzler Olaf Scholz hat im niedersächsischen Wilhelmshaven das erste deutsche Flüssiggas-Terminal offiziell eröffnet. Mit diesen und den weiteren geplanten LNG-Terminals soll die deutsche Energieversorgung „unabhängig von den Pipelines aus Russland“ werden, so Scholz in seiner Rede auf dem Spezialschiff „Höegh Esperanza“, das am Donnerstag in Wilhelmshaven festgemacht hatte.

Die Eröffnung ist ein wichtiger Meilenstein für die in den vergangenen Monaten massiv gehypte Energieform Flüssiggas (LNG). Bisher galt LNG als zu teuer, um sich durchsetzen zu können: „Die Auslastung der LNG-Häfen beträgt gerade mal 25 Prozent“, sagt der Londoner Investmentbanker Laurent Segalen der Berliner Zeitung. Segalen hat sich mit seinem Unternehmen Megawatt-X auf den Handel mit Wind und Solarenergie spezialisiert. Er hält es für richtig, dass die Europäer versuchen, ihre Energie-Bande mit Russland zu kappen: „Das Vertrauen der Märkte in die Russen ist weg. Gazprom Germania und Uniper sind gegen die Wand gefahren. Es wird zehn Jahre, vielleicht eine Generation dauern, ehe wir wieder darüber nachdenken können, mit den Russen Deals abzuschließen.“ Mit der Sprengung von Nord Stream 2 gehe ein Epoche zu Ende, meint Segalen: Eine Pipeline könne nicht geschützt werden, es brauche das Vertrauen. Daher sieht sich die LNG-Branche nun im Vorteil: „Schiffe sind flexibler, man kann einer Sabotage leichter ausweichen“, sagt der Banker.

Segalen sagt, die jüngst bekanntgegebenen Verträge mit Katar seien zwar vermutlich 30 Prozent teurer als das Gas aus Russland. Allerdings werde der Preis nach der sogenannten Öl-Formel ermittelt und sei nicht den Volatilitäten des Spot-Markts ausgesetzt. Die „Öl-Formel“ ist freilich auch undurchsichtig. Die westlichen Händler ärgert, dass es ihnen nie gelungen sei, den Preis in Erfahrung zu bringen, den die Deutschen und die Russen vereinbart hatten: Das Pipeline-Gas war immer billiger als das LNG, weshalb sich die Russen behaupten konnten.

Katar sei aktuell der „einzige Ort, wo man eine langfristige Verlässlichkeit bei den Lieferungen hat“. Entscheidend sei: „Katar wird vollständig von den Amerikanern kontrolliert. Wenn Sie ein Problem haben, rufen Sie in Washington an und es wird gelöst.“ Daher ist es nur logisch, dass das LNG vom Staatsunternehmen Qatar Energy an das amerikanische Unternehmen Conoco Phillips verkauft wird, welches ab 2026 beabsichtigt, Deutschland zu beliefern. Amerikanische Unternehmen sind unter anderem an der Erdgasförderung in Katar beteiligt. Die Europäer sollten sich nicht aufregen, dass sie in Abhängigkeit von den USA geraten, meint der französisch-britische Banker: „Wegen des Widerstands von Umweltschützern muss das größte Erdgasfeld Europas in Groningen in den Niederlanden schließen.“

Ein schwarzer Tag für Umweltschützer

Umweltschützer müssen sich nun damit abfinden, dass ab Samstag ein Schiff im Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer agieren wird, das alles andere als ökologisch ist: Die „Esperanza“ war das einzige verfügbare Schiff, weil Australien ihm an seinem zuvor geplanten Einsatzort am Crib Point LNG Projekt im australischen Bundesstaat Victoria im Jahr 2021 keine Betriebserlaubnis erhalten hatte. In der Umweltprüfung war die „Esperanza“ durchgefallen, vermeldet die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Das Schiff setzt zu Reinigung ein aggressives Biozid ein, welches den Bewuchs der Regasifizierungsanlagen durch Muscheln oder Seepocken verhindern soll. Per Elektrochlorierung wird in den Seewassereinlässen des Schiffes für eine kontinuierliche Abgabe von Hypochlorit gesorgt; in der Folge gelangt dieses Biozid in das Meer. Für Australien war das nicht hinnehmbar, das ganze LNG-Projekt wurde abgeblasen.

In Wilhelmshaven dürfen dagegen nun große Mengen an umweltschädlichem Chlor in die Nordsee geleitet werden, so die DUH. Die eigentlich notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden gestrichen. Das Land Niedersachsen erteilte dem Schiffsbetreiber Uniper Global Commodities am Freitag die letzte noch ausstehende wasserrechtliche Erlaubnis für die Anlage. Der Einsatz des Biozids ist nun erlaubt, weil für „einen bestmöglichen Ausgleich gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Belange gesorgt“ worden sei, so Anne Rickmeyer, die Leiterin des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz.

Auf die Umweltprobleme und auf die Tatsache, dass das Schiff nur verfügbar war, weil es in Australien keine Genehmigung erhalten hat, ging Scholz in seiner Rede nicht ein. „Das ist jetzt dasneue Deutschland-Tempo, mit dem wir Infrastruktur voranbringen“, sagte der Kanzler. Er bezeichnete die Aktion laut AFP als „ein Zeichen für die Stärke der deutschen Wirtschaft“.

Dem norwegischen Unternehmen Höegh hat die Bundesregierung mit der Anmietung des umstrittenen Schiffs jedenfalls einen Gefallen getan. Höflich bedankte sich der CEO des Unternehmens, Erik Nyheim, in einer Mitteilung bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für einen lukrativen Zehnjahresvertrag. Die Gesamtkosten für alle schwimmenden LNG-Terminals liegen für die kommenden Jahre bei knapp zehn Milliarden Euro. Für Russland scheint sich dagegen das Fenster zu schließen. Investmentbanker Segolen sagt, es gäbe keine Gesprächsbasis mehr: „Das aktuelle Regime unter Putin – sie sollen in der Hölle verrotten!“

An der Eröffnung des Schiffs nahmen auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) teil. Habeck sprach in den Zeitungen der Funke Mediengruppe ebenfalls von einem „entscheidenden Schritt für die Versorgungssicherheit in Deutschland“.