Madagaskar

Fledermausspeichel macht den Kaffee teuer

Durch die Spucke können die Farmer ein geschmackliches Höchstniveau erreichen.

Madagaskar-Fledermäuse haben keinen guten Ruf. Sie werden als fliegende Vampire betrachtet, die nur darauf warten, sich im Sturzflug über die Halsschlagader einer armen Seele herzumachen. Andere erinnern sich daran, dass der Ausbruch der tödlichsten Ebola-Epidemie aller Zeiten westafrikanischen Fledermäusen zugeschrieben wurde. In beiden Fällen werden die säugenden Vögel mit den durchsichtigen Flügeln und dem Hitech-Navigationssystem als fiese Todesboten denunziert.

Warten auf den Kaffeeeinsatz: ein Flattermann auf Madagaskar.
Warten auf den Kaffeeeinsatz: ein Flattermann auf Madagaskar.Imago Images

Umso erstaunlicher, dass sie nun mit einem der edelsten Genüsse dieser Welt in Verbindung gebracht werden: mit Kaffee. Und zwar nicht mit irgendeinem Nestchijacodallonko, sondern mit dem „Bourbon Pointu“, einer der edelsten Kaffeebohnen dieser Welt. Selbst diese erlesenste aller belebender Strauchfrüchte soll die Fledermaus noch edler machen – und zwar ausgerechnet mit ihrer Spucke.

Geschmackliche Unterschiede

Mehr als 200 Euro pro Kilo Kaffeepflanzer auf der afrikanischen Insel Madagaskar klagten darüber, dass sie für ihren Robusta-Kaffee nur mieseste Margen einkalkulieren konnten. Da kam Farmer Jacques Ramarlah auf die Idee, die aus der Nachbarinsel Reunion stammende Edelbohne Bourbon Pointu auch auf Madagaskar anzubauen: Sie kann wesentlich gewinnträchtiger verkauft werden.

Segensreiche Flattermänner
Die Spucke von Fledermäusen kann segensreiche Wirkungen entfalten. So ist bei der Vampirfledermaus festgestellt worden, dass ihr Speichel ein Eiweiß enthält, das bei Schlaganfällen Blutgerinnsel auflösen kann.

Beim Kaffee funktioniert die Speichelzutat so: Die Fledermäuse begnügen sich mit dem Fruchtfleisch der Kaffeekirsche und spucken den bespeichelten Kern, also die eigentliche Kaffeebohne wieder aus.

Die Bohnen fallen auf den Boden, der Speichel und die dadurch ausgelösten Reaktionen, zum Beispiel mit der Luft, verändern den Geschmack des Kaffees: Der Bourbon-Pointu-Kaffee wird besonders weich.

Bereits zwei Jahre später stellten die Bourbon-Farmer fest, dass es auch zwischen Edelbohne und Edelbohne noch gewaltige geschmackliche Unterschiede gab: Und zwar abhängig davon, ob die Kaffee-Sträuche in einer von Fledermäusen besiedelten Region zu stehen kommen oder nicht.

Fledermausspucke macht den Geschmack

Weitere Recherchen ergaben, dass sich die Fledertiere tatsächlich über die belebenden Bohnen hermachen: Und – während sie daran knabbern – etwas von ihrem Speichel absondern. Der wiederum verbindet sich mit der Bourbon-Pointu-Substanz und sorgt für einen „einzigartig weichen Geschmack“, wie der belgische Hotelier Ronald van der Vaeken gegenüber Reuters attestiert. „Der Geschmack von normalem Kaffee hält sich höchstens zwei Minuten im Mund“, sagt der Gourmet: „Dieser aber bleibt viel länger. Er ist nicht sauer. Er ist wirklich gut.“ Noch besser: Er lässt sich auch teurer verkaufen.

In Zeiten kollabierender Kaffeepreise wissen die Anbauer das besonders zu schätzen: Während sie für Bourbon Pointu mit rund 200 Euro pro Kilo schon das 50-Fache von hundsgemeinem Robusta verlangen können, schlagen sie für die Krönung mit Fledermausspucke noch mindestens zehn Prozent drauf.

500 Euro pro Kilogramm Kaffee

In diesem Jahr ernteten die madagassischen Farmer bereits zwei Tonnen der eingespeichelten Bohnen: Im kommenden Jahr soll es schon zehnmal soviel sein. Sorge ums Tierwohl Kaffee-Cracks werden sich erinnern: Aus Thailand wurde einst von Bohnen berichtet, die erst durch einen Elefanten-Magen gehen mussten, um zu ihrem geschmacklichen Höhepunkt zu kommen.

Und in Indonesien machte der Kopi Luwak Furore, der von katzenähnlichen Fleckenmusangs gegessen und halbverdaut wieder ausgeschieden wird: Derart halbfermentierte und mit Musang-Kot angereicherte Bohnen bringen beim Endverbraucher mehr als 500 Euro pro Kilogramm ein.

Unerfreuliche Nebenwirkungen

Das Interesse an derartigen Edeltröpfchen scheint nahezu grenzenlos zu sein: Während der globale Markt von Spezialkaffees derzeit noch bei rund 40 Milliarden US-Dollar liegt, wird er sich nach Prognosen der indischen Marktforscher von Adroit Market Research bis in fünf Jahren mehr als verdoppelt haben. Allerdings brachte der Run auf den Kopi Luwak auch unerfreuliche Nebenwirkungen mit sich.

Ob des Nachfrage-Booms verlegten sich die indonesischen Kaffeefarmer auf die Jagd wilder Fleckenmusangs, um sie in Käfige zu sperren und mit Kaffeebohnen zwangszuernähren: So ersparten sie sich die aufwendige Suche nach den stillen Örtchen der wilden Schleichkatzen. Unzählige Musangs bezahlten die Kaffeeveredelung mit ihrem Leben: Wenn sie nicht an den Folgen der Freiheitsberaubung starben, so an den Konsequenzen ihrer einseitigen Ernährung.

„Stop the Spit“

Als Tony Wild, der Kopi Luwak einst nach Europa gebracht hatte, von dem Los der Fleckenmusangs hörte, rief der Brite zum Boykott des vorverdauten Kaffees auf. „Cut the Crap“, hört auf mit dem Scheiß, so der Titel seiner globalen Kampagne.

Sollten auch die madagassischen Farmer auf die Idee kommen, Fledermäuse in Käfige zu sperren, um sie auf Kaffeebohnen spucken zu lassen, werden sie von uns zu hören bekommen: „Stop the Spit“, spuckt selber drauf.