Finanzen

Die Kassen des Sultans sind leer: Erdogan ruft US-Bankerin zu Hilfe

Die Netto-Devisenreserven der Türkei sind erstmals unter Null ins Negative gefallen. Nun soll eine frühere Goldman-Bankerin Erdogans Schatulle wieder füllen.

Hafize Gaye Erkan
Hafize Gaye ErkanZVG

Am Freitag vor seinem historischen Wahlsieg musste der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan feststellen: Die Kassen sind leer. Die Netto-Devisenreserven der türkischen Zentralbank waren zum ersten Mal seit 21 Jahren unter null auf -0,2 Milliarden Lira gefallen. Die Regierung hat die Reserven vollständig aufgebraucht, um den Wechselkurs vor den Wahlen unter Kontrolle zu halten. Auch die Goldreserven waren drastisch geschrumpft. Nur mit einigen Tricks wie besonders hohen Zinsen auf Fremdwährungskonten konnte sich das System über die Wahlen retten. Nun soll es eine Bankerin aus den USA für Erdogan richten. Hafize Gaye Erkan wurde kürzlich zur neuen Zentralbankchefin ernannt. Die 44-Jährige arbeitete unter anderem für die Investment-Bank Goldman Sachs. Ihre Spezialität ist laut der Financial Times „die Erstellung komplexer Modelle, die das Risiko in den Bilanzen großer Finanzinstitute analysieren“. Daten seien unbestechlich, sagte Erkan in einer Biografie.

Für die türkischen Finanzen wird sich die als brillant beschriebene Princeton-Absolventin etwas Besonderen einfallen lassen müssen. Erdogan hatte, nicht zuletzt aus Verachtung gegen die „Finanzspekulanten“, die er gerne mit antisemitischem Unterton als Grund aller Probleme ausmachte, die Ökonomie für die Türkei neu erfunden: Die galoppierende Inflation sollte nicht mit höheren, sondern mit niedrigeren Zinsen bekämpft werden. Das einmalige Experiment scheiterte schon deshalb, weil die offiziellen Leitzinsen zuletzt zwar bei 8,5 Prozent lagen, die Banken jedoch für Kredite bis zu 60 Prozent Zinsen verlangten. Es wird nun erwartet, dass Erkan einen Kurswechsel vornimmt und bereits in dieser Woche eine erste Zinserhöhung verkündet.

Jedenfalls kehrt die mit einer türkischen und einer amerikanischen Staatsbürgerschaft ausgestattete Bankerin in einer turbulenten Zeit in ihre Heimat zurück. Das ist für sie nichts Neues: Bei der First Republic Bank wurde sie von der Fachzeitschrift American Banker 2019 zur „,mächtigsten Frau, die es zu beobachten gilt“, gewählt. 2021 musste sie die Bank verlassen, nachdem sie und einige Kollegen in „toxische“ Interaktionen verwickelt waren, wie die FT berichtet. Wenig später kollabierte die Bank. Immerhin kann Erkan am Bosporus auf einen Verbündeten setzen: Auch der neue Finanzminister Mehmet Şimşek ist Anhänger der traditionellen Ökonomie. Startbonus gibt es allerdings keinen: Auch nach der Ernennung von Erkan setzte die türkische Lira ihre Talfahrt fort.