Berlin

Neue Studie bestätigt es: Casualisierung der Mode ist längst auch an den Füßen angekommen

Sich wohl- und gut gekleidet fühlen - für immer mehr Deutsche bedeutet das vor allem: bitte keine steifen, förmlichen Sachen. Diese Denkweise wird jetzt auch durch eine Studie für unsere „untersten Kleidungsstücke“ bestätigt.

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Es gibt, wenn man in Sachen Fashion seine eigenen Wege gehen will, definitiv deutlich schlechtere Ecken auf der Welt als Berlin. Das gilt nicht nur für professionelle Couture, sondern auch bei den individuellen Looks vieler Menschen in der Stadt. Tenor: In Berlin ging schon immer ein bisschen mehr und war man meistens wenigstens eine Schuhspitze der restlichen Republik voraus.

Wer Fashion-fühlige Antennen besitzt, dürfte diesbezüglich eines schon längst gemerkt haben: Sieht man vielleicht vom Regierungsviertel ab, ist die Zahl von Leuten in Anzug, Business-Kostüm und ähnlichen klassisch-konservativen Repräsentativ-Outfits ziemlich rückläufig. Fachsprachlich spricht man von einer Casualisierung - also eine in der Breite lässigere, zwanglosere, vielfach auch sportlicher werdende Mode. Doch woher kommt‘s und warum ist ausgerechnet Schuhwerk ein Paradebeispiel dafür?

Was sagt die Studie über Casual-Schuhe?

Das SIEMES Schuhcenter, einer von Deutschlands größten Schuh-Fachhändlern, veröffentlichte vor kurzer Zeit eine repräsentative Studie, die sich detailliert mit verschiedenen Aspekten rund um Schuh- Kaufgewohnheiten der Deutschen befasst. Was die Casualisierung der Mode anbelangt, bildet diese Arbeit sozusagen einen krönenden Abschluss für den untersten Teil unserer Outfits. Von zentraler Bedeutung dafür sind folgende Zahlen:

Damit beweist die Schuhcenter-Studie auch für die Schuhwelt das, was schon seit einigen Jahren für die restliche Mode gilt - unter anderem 2022 durch eine Kleiderschrank-Studie der Macromedia University, die auch in Berlin einen Standort hat: Unsere Outfits werden in der Breite immer lockerer. Und wer nicht gerade von Berufs wegen spezielle Dinge tragen muss, macht meist keinen Unterschied zwischen Arbeits- und Freizeitkleidung mehr.

Warum wird unsere Mode immer mehr casual?

Für manche Fashionistas ist die Casualisierung ein rundweg beklagenswerter Zustand. Und nicht selten werden als vermeintliche Ursachen dafür Stammtischparolen à la „Die Leute werden immer bequemer" angeführt. Denken wir etwa an die legendäre, ihm zugeschriebene, Aussage Karl Lagerfelds:

„Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“

Es mag einfach sein, hinter der Casualisierung simple Gründe wie „Verlotterung der Sitten" zu sehen, Mangel an (Selbst-)Disziplin oder Respekt vor Anlässen. Zugegeben, das mag für manche Menschen wirklich gelten. In der Breite aber hat die massenhafte Abkehr von konservativ bis steifen Outfits völlig andere - rationalere und miteinander verflochtene - Ursachen:

1. Der seit Jahrzehnten wirkende Einfluss von Musikern und anderen Künstlern

Was Musiker tragen, übte auf ihre Fans immer schon Einfluss aus. Derzeit befinden wir uns in einer Epoche gut 40 Jahre nach dem Start von MTV - und somit einer völligen Neudefinition dessen, wie Musik auch optisch präsentiert wird. Vor allem durch den globalen Siegeszug von Rap ab den frühen 1990ern kamen immer mehr Jugendliche und Jung-Erwachsene unter anderem über Musikvideos mit den dort vorherrschenden Fashion-Trends in Kontakt - die stark von Athleisure bzw. anderen sportlichen Elementen geprägt wurden und werden.

Die Folge: Viele Menschen wurden, teils über Jahrzehnte, durch solche Vorbilder geprägt. Da es sich bei diesen Musikrichtungen um mehr als nur Subkulturen handelte, war die Wirkung dementsprechend sehr breit und einflussreich - auch das ist wissenschaftlich längst belegt.

2. Andere gesellschaftliche Umbrüche

Unsere (westliche) Gesellschaft wurde in den vergangenen zirka 50 Jahren deutlich „entspannter":

·         Die Rolle von Frauen,

·         der Umgang mit Autoritäten,

·         das Standing von Minderheiten,

·         liberalere Haltungen.

Das und vieles andere erfuhr einen deutlichen Wandel hinsichtlich der breitgesellschaftlichen Ansichten. Das wiederum führte dazu, dass viele Menschen generell offenere Weltbilder annahmen oder gleich von der Geburt an erlernten. Ein zunehmend kritischer Blick auf tradierte, als steif empfundene Mode ist definitiv eine Folge davon. Mit anderen Worten: Wer ein offenes, relaxtes Weltbild pflegt, ist eher kein Kandidat für traditionelle Fashion.

3. Wandel von Dresscodes und des Berufsalltags

Ebenfalls seit Jahrzehnten verstärkt sich die Bedeutung von effizienter Arbeit. Nahezu jeder, der heute einem Beruf nachgeht, leistet persönlich deutlich mehr als sein Vorgänger, etwa zu Beginn der 1990er. In einer solchen Arbeitswelt, insbesondere dort, wo keine spezielle Schutzkleidung vorgeschrieben ist, wurden klassische Kleidungsstücke immer stärker als hinderlich empfunden. Frei nach dem Motto „Wer acht Stunden täglich am Computer sitzt, kann sich definitiv besser konzentrieren, wenn er dabei bequeme Kleidung trägt statt Schlips, Kostüm oder harte Lederschuhe." Dabei spielen auch drei weitere Dinge eine große Rolle - insbesondere in der jüngsten Vergangenheit:

1.   Fachkräftemangel: Wo es zunehmend schwierig wurde, gutes Personal zu finden, entschieden viele Firmen sich dazu, u.a. durch liberale Dresscodes einladend zu wirken.

2.   Hierarchiewandel: Steile Hierarchien erlebten ebenfalls einen starken Rückgang. Das wirkte sich ebenfalls auf die beruflich erwartete Kleidung aus.

3.   Arbeitsflexibilisierung: Spätestens, seitdem sich während der Pandemie Home-Office und andere flexible Arbeitsmodelle etablierten, avancierte zuvor „untragbare" Freizeitkleidung zum akzeptablen Work-Outfit. Beispielsweise fand eine 2023 in den USA durchgeführte Studie heraus, dass sich ganze 80 Prozent der hybrid Arbeitenden deutlich anders kleideten als in ihrem vorherigen, ortsgebundenen Umfeld. Das führt uns zu einem finalen Punkt:

4. Veränderte Konsum- und Tragegewohnheiten

Wer sich kein Outfit mehr speziell für die Arbeit anschaffen muss, der spart sich diese Ausgaben meist gern. Dementsprechend haben viele Menschen etwas weniger modische Vielfalt im Schrank. Dadurch, dass wir uns daran gewöhnt haben, auf der Arbeit und abseits davon ähnliche, vielfach sogar dieselben Stücke tragen zu können, sank bei vielen ebenso die Bereitschaft, für andere, seltenere Anlässe einen Unterschied zu machen.

Frei von Kritik ist diese Praxis jedoch nicht. Unter anderem das Umweltbundesamt sähe in einer Arbeit von 2022 lieber wieder eine Trennung - primär, weil durch die Dauernutzung die Lebens- bzw. Nutzungsdauer von Kleidungsstücken deutlich reduziert würde.

Fazit: Casual ist aus gutem Grund gekommen, um zu bleiben

Nicht jeder mag es. Aber definitiv gibt es genug Menschen, denen es sehr zupass kommt, dass die heutige Modewelt deutlich legerer geworden ist als es noch vor zwanzig, dreißig Jahren der Fall war.

Die Casualisierung unserer Dresscodes kann durchaus seriöse Ursachen vorweisen. Und sowieso bestimmte schon immer die Masse, was tragbar war. Insofern sind Sneaker, Trainingshosen oder im Schrank verstaubende Krawatten fast schon das Ergebnis eines demokratischen Prozesses - hin zu mehr Bequemlichkeit, vielfältiger Nutzung und weniger rigiden Fashion-Vorgaben.

KI-generiert mit Flux Kontext Fast

Die Recherche und Erstellung des Beitrags wurden durch eine externe Redakteurin vorgenommen und stammen nicht aus der eigenen Redaktion.