An Skurrilität kann diese Kirche weltweit wohl kaum jemand überbieten. Die Anhänger, vulgo Gläubigen, der Kirche des heiligen Spaghettimonsters nennen sich Pastafari. Wer mit dem Auto nach Templin fährt, sieht neben den üblichen Schildern der katholischen und der evangelischen Kirche, die auf den Gottesdienst und die heilige Messe hinweisen, auch ein offizielles Schild der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters. Die feiert ihre (Nudel-)Messe nicht, wie bei anderen Kirchen üblich, am Sonntag, sondern am Freitag um 10 Uhr. Wegen dieses Schildes, so erzählt Bruder Spaghettus, der die Kirche in Brandenburg und Berlin vertritt, gab es im Rathaus von Templin einige Reibereien. Bruder Spaghettus heißt in Wirklichkeit Rüdiger Weida, ist 70 Jahre jung und Satiriker, Blogger und Aktionskünstler.
Weißer Rauschebart
Letztlich habe die Kirche bei dem Streit gesiegt, das Schild ist nun gesichert. „Und Templin sollte sich darüber freuen, denn die Kirche ist ein nicht unerheblicher touristischer Anziehungspunkt und hat Templin schon einige hunderttausend Euro an Werbung erspart“, ist sich Spaghettus sicher. Mit seinem weißen Rauschebart und den klugen Augen wirkt er durchaus erhaben, er könnte gut und gerne auch als orthodoxer Geistlicher durchgehen.
Spaghettus bewohnt mit seiner Frau ein altes Aussiedlerhaus in der Nähe von Templin. Im ehemaligen Stall ist die „Kirche“ untergebracht. Im Sommer kommen immer einige Gäste zur Messe, meist Touristen, im Winter dagegen ist ein einziger Teilnehmer schon viel. Da der Stall nicht geheizt ist, versucht Bruder Spaghettus, die Nudelmesse nicht unnötig lang werden zu lassen.
„Ramen“ statt „Amen“
Auf dem Altar stehen Geschenke von Gläubigen, unter anderem eine kunstvoll geschnitzte Skulptur aus – Pasta! Auch Reliquien gibt es, bei den Pastafari sind dies keine Holzstückchen von Jesu Kreuz, sondern Nudeln. Für die Messe hat sich Bruder Spaghettus ein Messgewand übergeworfen, das ihn mit seiner Leibesfülle wirklich Ehrfurcht gebietend aussehen lässt. Er instruiert die Gläubigen vorher noch, dass die Formel während der Messe nicht „Amen!“ heißt, sondern „Ramen!“.
Dabei faltet man nicht die Hände, sondern hakelt die Daumen umeinander und lässt die übrigen acht Finger flattern, was am Anfang etwas Übung erfordert, jedoch immer für Heiterkeit sorgt. Ach ja, und ohne Kopfbedeckung darf niemand der Messe beiwohnen. Bei den Pastafari ist es ein Piratenhut, verschiedene Modelle stehen für die Besucher bereit. Nach Ansicht der Pastafari waren Piraten brave Seefahrer, die Kinder gerne mit Süßigkeiten überraschen. Die Behauptung, sie wären gefährliche Räuber der Meere gewesen, halten die Pastafari für eine der vielen Geschichtsfälschungen der Kirche.
Verschiedene Mitglieder der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters haben sich schon mit Kopfbedeckungen wie Nudelsieben oder Piratentüchern fotografieren lassen, was für gehörigen Wirbel in der weltweiten Gemeinde sorgte. Und Meldeämter hatten einigen Ärger mit Pastafari, die unbedingt auf ihrem Personalausweis ein Foto mit Piratenhut oder Nudelsieb haben wollten, was immer negativ beschieden wurde.
Man sieht also, Pastafari haben einen sehr speziellen Humor, und Fans von Monthy Python, Douglas Adams oder dem Eulenspiegel sind in dieser Kirche bestens aufgehoben.
Gründung im Jahr 2006
Die Quatsch-Religion, die Gaga-Kirche, wie sie in Zeitungen oft genannt wird, wurde 2006 von Bobby Henderson in den USA gegründet. In diesem Jahr veröffentlichte Henderson, damals 26 Jahre alt, ein Buch mit dem Titel „Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters“. Es fußt auf dem Streit, den es damals im amerikanischen Bundesstaat Oregon um die Lehrpläne des Biologieunterrichts gab, wobei erstmals die kreationistische Pseudowissenschaft „Intelligent Design“ unterrichtet werden sollte. Diese harmoniert mit den Kreationisten, die der Auffassung sind, dass sich das Leben auf der Erde nur durch einen intelligenten Urheber erklären lässt und nicht nach Darwin. Henderson sprach sich für die Evolutionstheorie aus und forderte von Präsident Bush, wenn er sich so offen gegenüber alternativen Theorien der Weltentstehung zeige, dann solle doch auch bitte die Lehre vom Fliegenden Spaghettimonster auf den Lehrplänen stehen.
Das Medienecho auf diese Neugründung war damals gewaltig, es gründeten sich auf der ganzen Welt Spaghettimonster-Niederlassungen. In Deutschland gibt es die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters seit 2011, sie ist offiziell ein eingetragener Verein.
Derweil ist die Nudelmesse in vollem Gange. Bruder Spaghettus hat für jeden Teilnehmer eine köstliche Spaghetti-Nudel weichgekocht, die, ähnlich wie die Hostie in der katholischen Kirche, andachtsvoll hineingeschlürft wird. Danach sollte mit einem „Ramen“ gedankt werden. Statt Messwein gibt es ein Regal mit guten Bieren vom Biervulkan, einem Hügel, der sich im Garten hinter der Kirche befindet. Auch ein alkoholfreies ist dabei. Mit einem Schluck aus einem edlen Zinnbecher wird die Nudel dann hinuntergespült. Das Ganze ist also auch für Vegetarier gut verträglich.
Lieder gibt es natürlich auch, etwa: „Ein bissfest Burg ist unser Gott“ von Dr. Martin Nudler, oder „Der Piratentag“ von Capitano Della Benkel. Mindestens eins davon wird in der Nudelmesse gesungen, wenn auch ohne Orgel. Das Glaubensbekenntnis liest Bruder Spaghettus ehrfürchtig von einer bereitliegenden Nudelrolle ab.

Menschen, die sich leicht an Blasphemie stören, sollten also gut überlegen, sich als Gast in die Nudelmesse einzureihen. Denn das „Monsterunser“, das in der Messe gebetet wird, hat es in sich. Es fängt an mit „Monster unser, das du bist im Himmel, geheiligt werden deine Anhängsel. Deine Piraten kommen, deine Soße geschehe ...“ und dann zu schließen mit „denn dein ist die Soße und der Käse und die Fleischklößchen in Ewigkeit. Ramen.“
Nach der kurzweiligen Messe können die Besucher noch ein wenig in dem uckermärkischen Garten hinter dem Haus spazieren gehen, der von Bruder Spaghettus liebevoll gepflegt wird. Es gibt auch einen Bio-Swimmingpool, neben dem sich die Stripperfabrik befindet. Was es damit genau auf sich hat, erklärt Spaghettus nicht, vielleicht ist es jetzt, im November, auch schon zu kalt.
Weinachten
Weinachten gibt es übrigens auch bei den Pastafari, die gleich klarstellen, dass es nichts mit dem „Weihnachten“ der christlichen Kirche zu tun hat. Die habe nur das alte Fest gekapert und verfälscht. Statt des Weihnachtsbaumes nutzen Pastafari den Mastbaum, den sie mit Kerzen schmücken. Mehrere Flaschen Wein gehören zum Fest immer dazu, deshalb: Weinachten.
Grundsätze der Pastafari sind in einer Broschüre, die vor der Kirche ausliegt, zusammengefasst. Da heißt es, dass die Vollendung der Trennung von Kirche und Staat gewünscht sei, man tritt für verpflichtenden Ethikunterricht statt Religionsunterricht ein, sei für eine offene Gesellschaft, für Al-dente-Teigwaren und für Party. Was man gar nicht mag: Stammtischparolen, jährliche Staatsleistungen an Kirchen, Gottesbezug in der deutschen Verfassung, Fundamentalismus und gesetzlichen Sonderschutz religiöser Gefühle. Und natürlich humorlose Typen auf allen Ebenen, wie leicht süffisant angemerkt wird.
Im Gegensatz zu den Großkirchen, die in Deutschland jährlich mit rund 19 Milliarden Euro alimentiert werden, bekommt die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters keinen Cent an Zuwendungen. Was sie einerseits sympathisch macht, andererseits müssen auch Bruder Spaghettus und seine Getreuen von irgendwas leben. Spenden werden deshalb dankend angenommen, die Nummer des Kontos findet sich auf der Internetseite.
Zu guter Letzt bändigen die Piraten-Pastafari auch noch die globale Erwärmung. Die „Letzte Generation“ sollte also schnell Kontakt zu ihnen aufnehmen. „Piraten sind notwendig, um das Erdklima zu regulieren. Was sich wissenschaftlich belegen lässt“, lassen sie verlauten. Dazu halten die Pastafari eine wissenschaftliche Grafik bereit, die eindeutig belegt, dass die Temperatur umso höher steigt, je weniger Piraten es gibt.






