Bewegen & Begehren

Jetzt geht’s rund! Rhönradfahren in Brandenburg

Das Rhönrad-Turnen ist in Brandenburg eine Nischensportart: In Strausberg gibt es landesweit die einzigen Rhönrad-Turner und -Turnerinnen.

Wer rollt denn da? Sportler vom Strausberger Turn- und Sportclub (TSC) bei ihren Übungen mit dem Rhönrad.
Wer rollt denn da? Sportler vom Strausberger Turn- und Sportclub (TSC) bei ihren Übungen mit dem Rhönrad.Patrick Pleul/ZB

So ein Rhönrad als Sportgerät ist nichts für Angsthasen. Das wird Besuchern schnell klar, wenn sie das Training in der Turnhalle einer Grundschule in Strausberg (Märkisch-Oderland) beobachten. Ein halbes Dutzend Jugendlicher turnt auf den 40 bis 60 Kilogramm schweren und bis zu 2,40 Metern großen Doppelstahlrädern, die in ständiger Bewegung sind: Rolle vor- und rückwärts, Knieumschwung, Schrauben, Handstände – kein Turnelement scheint unmöglich.

„Auch wenn wir eine Übung schon oft gemacht haben – es ist nicht ungefährlich und immer eine anspruchsvolle Herausforderung, den eigenen Körper und das Rad zu kontrollieren“, erzählt Klara Meyer. Die 18-jährige Abiturientin ist seit elf Jahren begeisterte Turnerin in Brandenburgs einzigem Rhönrad-Verein, organisiert im Strausberger Turn- und Sportclub (TSC). Ballett und Leichtathletik seien ihr einfach zu langweilig gewesen, sagt sie.

Ostdeutscher Verein aktiv in der Bundesklasse

Unermüdlich übt Klara ihre Kür auf dem Rhönrad, bestehend aus zwei parallelen Stahlreifen, die durch sechs Sprossen miteinander verbunden sind. Die Schülerin will sich erstmals in der Altersgruppe der Erwachsenen für die Deutschen Meisterschaften im Juni dieses Jahres qualifizieren. „Da wird nach Musik geturnt, und besonders kreative Elemente bringen Extrapunkte“, erklärt die Sportlerin.

Insgesamt gibt es 70 Rhönrad-Turner im Alter zwischen sechs und 66 Jahren in Strausberg. Zwei von ihnen, Johannes Stolper (19) und Jamal Kiel (14), gehören zum deutschen Bundeskader und gehen im Mai dieses Jahres bei den Weltmeisterschaften im dänischen Sonderburg an den Start. „Sie haben Chancen, ganz vorn mitzuspielen“, sagt die Strausberger Rhönrad-Cheftrainerin Karoline Engler. Das sieht Dirk Balkenohl, Vorsitzender des Technischen Komitees Rhönradturnen beim Deutschen Turnerbund, ähnlich. Als Delegationsleiter der deutschen Mannschaft bei der diesjährigen WM freue er sich, mit Johannes und Jamal zwei sehr gute Turner dabeizuhaben. „Das gute und enge Miteinander scheint ein Geheimnis für den Erfolg der Strausberger zu sein“, glaubt Balkenohl. Der TSC sei einer der wenigen ostdeutschen Vereine, die aktiv in der Bundesklasse seien. „Das hängt sehr stark mit dem Engagement der Personen im Verein zusammen.“

Der 14-jährige Jamal vom Strausberger Turn- und Sportclub (TSC) übt eine Kür im Rhönrad.
Der 14-jährige Jamal vom Strausberger Turn- und Sportclub (TSC) übt eine Kür im Rhönrad.Patrick Pelul/ZB

Körperspannung, Kraft, Beweglichkeit und eine Portion Mut seien Grundvoraussetzung für den Rhönrad-Sport, so Trainerin Engler, die 1993 zu den ersten Brandenburgern gehörte, die das Rhönrad-Turnen erlernten. „Damals war die Rhönrad-Turnerin Grit Paulat vom Magdeburger Sportverein nach Strausberg gezogen und hatte ihr besonderes Sportgerät mit zu uns gebracht“, erinnert sich die 39-Jährige.

Während sich in Strausberg im Laufe der Jahre viele bisherige Turner für das anspruchsvolle rollende Sportgerät begeisterten, hat sich diese Art des Turnens anderswo in Brandenburg bisher nicht durchsetzen können. „Das ist in vielen Nischensportarten so – ob nun im Radball, Einradfahren oder Lacrosse: Es hängt an engagierten Sportlern, die dafür brennen – dann entstehen solche sportlichen Leuchttürme wie in Strausberg“, erklärt Marcus Gansewig vom Brandenburger Landessportbund.

Nach Angaben des Deutschen Turnerbundes gibt es deutschlandweit mehr als 200 Vereine mit etwa 5900 aktiven Rhönrad-Turnern. Einige konzentrieren sich auf den Breitensport oder das Schauturnen, andere bieten das Rhönrad-Turnen auch als Leistungssport an.

Ein Rad, drei Disziplinen

Besonders verbreitet sei die Sportart in Südwestdeutschland, weiß Trainerin Engler. Denn in der bayrischen Rhön-Region war das Rhönrad in den 1920er-Jahren erfunden worden. Der Sport wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in die Landesturnverbände und 1959 in den Deutschen Turner-Bund aufgenommen. Ein Jahr später wurden die ersten deutschen Meisterschaften ausgetragen.

Laut Engler gibt es neben unterschiedlichen Altersgruppen, in denen Wettbewerbe ausgetragen werden, drei Disziplinen: Beim „Geradeturnen“ rollt das Rhönrad immer auf beiden Reifen hin und her. Beim „Spiraleturnen“ bewegt sich das Sportgerät nur auf einem Reifen, es „tellert“ in unterschiedlichen Neigungswinkeln. Wenn das Rad angeschoben wird, der Turner hinterher läuft und sich mit den Armen in das Sportgerät hineinzieht, handelt es sich um die Disziplin „Sprung“.

Karoline Engler, Rhönrad-Cheftrainerin beim Strausberger Turn- und Sportclub (TSC), übt mit der dreizehnjährigen Johanna im Rhönrad.
Karoline Engler, Rhönrad-Cheftrainerin beim Strausberger Turn- und Sportclub (TSC), übt mit der dreizehnjährigen Johanna im Rhönrad.Patrick Pleul/ZB

Mehrere Spitzensportler seien im Strausberger Verein groß geworden, erzählt die Trainerin. Doch sie alle seien aufgrund beruflicher Veränderungen weggezogen. „Auch die, die uns für ein Studium verlassen, kehren leider nicht zurück.“ Nachwuchsprobleme habe der Verein aber nicht. „Da wir im TSC organisiert sind, wo schon Kleinkinder turnen, spricht sich unsere spezielle Sportart schnell herum.“ Die Ersten steigen in Strausberg mit fünf Jahren auf das Rhönrad. Engler selbst war vor Jahren Deutsche Meisterin im Synchron- und Partner-Rhönrad-Turnen. Diese Spezialisierungen seien jedoch keine Wettkampf-Disziplinen mehr, bedauert sie.

Die hauptberuflich als Rechtsanwaltsfachangestellte arbeitende Landesfachwartin Rhönrad hat ihre komplette Freizeit dem außergewöhnlichen Sport verschrieben. „Wir trainieren von Montag bis Samstag“, sagt sie. Viermal in der Woche ist auch Klara Meyer für jeweils zwei Stunden auf dem Rhönrad. Doch auch sie verlässt Strausberg im Sommer dieses Jahres, um in Erfurt Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren. „Meinen Studienort habe ich allerdings schon danach ausgesucht, dass es dort auch einen Rhönrad-Sportverein gibt“, meint sie schmunzelnd.