Man muss keine eingefleischte Chanel-Kundin sein, um sich über eine neue Boutique der französischen Luxusmarke am Kudamm zu freuen. Die Eröffnung mit größerer Verkaufsfläche bedeutet nämlich in erster Linie, dass die Topliga der Mode nach wie vor an der Berliner Kundschaft interessiert ist. Und es ist ein Kompliment an Charlottenburg.
Während andere ehemals schöne Ecken verschmuddeln und vom Ordnungsamt längst aufgegeben scheinen, wird am Kudamm also weiter am Comeback des einstigen Prachtboulevards geschraubt. Unter den Investoren: das legendäre Couture-Haus Chanel, das sich im Gegensatz zu den meisten großen Luxusmarken noch in privater Hand befindet. Im Zeitalter der Multikonzerne ist das etwas Besonderes.
Mit einer Fläche von knapp 500 Quadratmetern ist der frisch eröffnete Flagshipstore deutlich größer als sein Vorgänger ein paar Häuser weiter. Wo in der Nummer 188/189 die Kreationen Karl Lagerfelds auf nur einer Etage präsentiert wurden, haben die Kollektionen seiner Nachfolgerin Virginie Viard in der ehemaligen Jil-Sander-Adresse jetzt deutlich mehr Platz. Das Sortiment umfasst Ready-to-Wear, Handtaschen, Schuhe, Kleinlederwaren, Brillen, Uhren und Schmuck. Ebenfalls erhältlich sind die Düfte der Serie „Les Eaux de Chanel“, die von Gabrielle Chanels Lieblingsdestinationen inspiriert sind.
Berliner Künstler im Berliner Chanel-Store
Das Interieur der neuen Chanel-Boutique wirkt äußerst klassisch und wenig anbiedernd, was an der typischen Schwarzweißgold-Optik des über hundertjährigen Modehauses liegen mag.
Bei den Materialien wurde dennoch ordentlich auf den Putz gehauen: vergoldete Türen und Wände, mit dem ikonischen Chanel-Tweed bezogene Polstermöbel oder eine komplett mit hellem Marmor vertäfelte Kundentoilette. Ergänzt wird das Setting von kostbaren Leuchten aus vergoldetem Metall und Bergkristall – gefertigt von der Pariser Goldschmiede Goosens, die wie viele andere kleine Handwerksbetriebe inzwischen zu Chanel gehört. An den Wänden hängt Kunst, darunter drei Bilder des Berliners Gregor Hildebrandt. Ein Gemälde heißt „Das kleine Schwarze“. Es ist ein kleinformatiges monochromes Bild in Schwarz. Das ist originell.

Für die Einrichtung verantwortlich zeichnet der New Yorker Architekt Peter Marino, der seit langem mit Chanel zusammenarbeitet. Marino, der schon für Warhol renovierte, kennt die Codes des Hauses Chanel aus dem Effeff. Diese feiert er auch in der Berliner Boutique wieder in nahezu unaufgeregter Weise, was uns gleichwohl lehrt: Historisch gewachsene Unternehmen wie Chanel ziehen sich in unsicheren Zeiten auf ihr ästhetisches Erbe zurück, während sich andere auf ihrer Jagd nach Effekten gerne mal vergaloppieren. Für Berlin ist die neue Chanel-Boutique ein Zeichen der Hoffnung, weil die Stadt zwei Etagen Optimismus geschenkt bekommt. Wer hier am Ende tatsächlich einkaufen wird, steht auf einem anderen Blatt und ist eigentlich auch egal. Hauptsache, der Rubel rollt.


