Die Wölfe kommen Berlin immer näher. Kürzlich wurde sogar einer in Spandau gesehen. Die Aufregung war groß, doch dann Entwarnung, es war gar kein echter. Ähnliches passierte jetzt in Paris. Auch dort war das wilde Tier am Montagvormittag unterwegs – und zwar in Form eines plüschig-schwarzen Mantels.
In der französischen Hauptstadt hat die Couture-Woche begonnen und auf den Laufstegen sind jetzt jene handgefertigten Roben zu sehen, die sonst nur auf Galas, Globen oder Awards getragen werden. Die Haute Couture ist nämlich eigentlich viel zu kostbar, um sie anzuziehen. Bei diesen Kollektionen geht es vor allem um die Kunstfertigkeit der Modehäuser und um kühne handwerkliche Experimente. Zu denen, die sich das regelmäßig leisten, gehören unter anderem Chanel, Fendi, Christian Dior und Schiaparelli.
Schiaparelli riskiert Shitstorm, will aber eigentlich nur Dante zitieren
Letztgenannte Maison durfte die Paris Couture Week gestern Vormittag um Punkt 10 Uhr eröffnen und schon gab’s den ersten Skandal. Was der gefeierte Kreativdirektor Daniel Roseberry nämlich diesmal auf den Laufsteg brachte, sorgte auf Instagram für große Entrüstung: Kleider und Mäntel aus Fellen und mit Tierköpfen.
Und diese ließen einen unweigerlich an das denken, was in Adelskreisen den Boden des Jagdschlösschens ziert. Oder an den Butler in „Dinner for One“, der am Ende doch noch über den ausgestopften Tiger stolpert. Sei’s drum. Die Models (darunter Allzweckwaffe Naomi Campbell) trugen also die riesigen Köpfe eines Löwen, Schneeleoparden und Wolfes am Leib. Und nun fragt sich alle Welt: Was hat das zu bedeuten?

Roseberry gibt im Begleitschreiben zu seiner Mode-Manege die Antwort. Er hätte bei der Kollektion an Dantes „Göttliche Komödie“ gedacht, heißt es darin. Der Leopard, der Löwe und die Wölfin stünden im Buch „Inferno“ für Lust, Stolz und Geiz. Roseberry beschreibt seine Herangehensweise als das Nachdenken über Zweifel und Täuschung. Das Spiel mit der Frage, ob die Pelze echt seien, sei surrealistischer Teil dieser Kollektion. Damit bezieht er sich auf Elsa Schiaparelli, die Gründerin des Modehauses, die sich in den 1920er- und 30er-Jahren in Künstlerkreisen bewegte und sich bei ihren Designs stets von Dada und Surrealismus inspirieren ließ.
Es seien Roben aus unechtem Pelz, auch das erklärt Roseberry ausdrücklich. Es handele sich um „Tierpräparate, die von Hand aus Schaumstoff, Harz und anderen künstlichen Materialien hergestellt wurden“. Auf Instagram erntet er dafür jedoch vollstes Unverständnis. Viele fühlen sich allzu sehr an das Tragen von Pelzen erinnert. Ob echt oder unecht, das ist den Kommentatoren egal.

Vielleicht ahnte der Schiaparelli-Kreativdirektor, dass sein Werk für Entrüstung sorgen könnte. So schreibt er weiter: „Wenn ich nicht vorankomme, denke ich oft an Elsa Schiaparelli: Die Codes, die sie schuf, die Risiken, die sie einging, sind heute Stoff der Geschichte und der Legende. Und doch muss auch sie unsicher gewesen sein, sogar verängstigt, als sie sie erfand. Aber ihre Angst gab den Weg für ihren Mut frei, was gegensätzlich klingt, aber für den künstlerischen Prozess von zentraler Bedeutung ist. Angst bedeutet, dass man sich selbst zwingt, etwas Schockierendes und Neues zu schaffen.“
Schockiert hat der Designer am Montag sicher viele. Wir Berliner indes – sind nicht mehr alleine mit einem falschen Wolf.


