Apartments von David Chipperfield

Die Brandenburger Hamptons: Wo das schicke Berlin seine Wochenenden verbringt

Auch Berlin hat einen noblen Weekend-Spot: Bad Saarow am Scharmützelsee, wo nun ein neuer Luxus-Komplex entsteht. Das stößt nicht überall auf Gegenliebe.

So soll’s werden: links das Hotel, die Marina Apartments in der Mitte, Hafen und Strandabschnitt.
So soll’s werden: links das Hotel, die Marina Apartments in der Mitte, Hafen und Strandabschnitt.Jonas Berndt

Bad Saarow-Und plötzlich fällt ein Satz, der auf dem Land in Brandenburg womöglich eher selten ausgesprochen wird. „Hafer-, Dinkel- oder normale Milch?“, fragt die überaus freundliche Bedienung in dem überaus hübschen Café – in Bad Saarow scheint man auf Gäste aus Berlin längst vorbereitet.

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Von Manuel Almeida Vergara

10.04.2023

Wie könnte man auch nicht. Schließlich ist die Gemeinde seit Jahrzehnten als Anlaufpunkt für erschöpfte, mitunter verwöhnte Großstädterinnen und Großstädter bekannt. Schon 1905 kaufte die Landbank AG die Wälder der damaligen Gutsdörfer Saarow und Pieskow, um auf ihrem schönen Grund Sommerresidenzen für das Berliner Bürgertum zu errichten. Und wer über die Seestraße in Bad Saarow – 1923 als Gemeinde gegründet – in der warmen Maisonne flaniert, kann das auch heute noch erkennen.

Nach den Plänen des Landschaftsarchitekten Ludwig Lesser entstand hier, am Nordufer des Scharmützelsees, eine großzügige Landhaussiedlung; mit den Jahren kamen da und dort üppige Gründerzeit-Villen hinzu, von denen sich viele noch immer dem blauen Himmel entgegenrecken. 1914 wird ein Moorbad gebaut, 1927 die Heilquelle erschlossen, Golf- und Tennisplätze entstehen. Die umliegenden Pferdegestüte sind schnell so rausgeputzt wie die Berliner Damen und Herren, die sich hier am Wochenende verlustieren.

Kaiserwetter inklusive: Vor wenigen Tagen wurde Richtfest gefeiert.
Kaiserwetter inklusive: Vor wenigen Tagen wurde Richtfest gefeiert.Jonas Berndt

Das zieht: Hatte Theodor Fontane 1881 Besucherinnen und Besuchern der Gegend noch versprochen: „Überall, wohin du kommst, wirst du eintreten wie in jungfräuliches Land“, war Bad Saarow in den 1920ern längst zum gut besuchten Wochenenddomizil geworden. Persönlichkeiten aus Sport und Schauspiel aalten sich am Strandbad, Max Schmeling und Harry Liedtke erwarben Seegrundstücke, selbst Maxim Gorki kam zur Erholungskur. Und auch wenn Krieg und deutsche Teilung die Geschichte des Kurorts prägten, gilt Bad Saarow heute wieder als Weekend-Spot der hauptstädtischen High Society.

Wie die Hamptons für New York – oder Sylt für Hamburg

Darauf setzt nicht zuletzt die Berliner Unternehmensgruppe Artprojekt, die in Bad Saarow an einem Luxuskomplex baut. „Was den New Yorkern die Hamptons, den Parisern Deauville oder den Hamburgern Sylt bedeutet“, heißt es in der zugehörigen Werbebroschüre feierlich, „das ist für viele Berliner Bad Saarow“. Also baut man an einem abgelegenen Uferstück des Scharmützelsees ein Grandhotel samt kleinem Boot- und Yachthafen, eine Neuauflage des historischen Strandbads Neptun und den Komplex Marina Apartments mit 54 Eigentumswohnungen. Für den letzteren, am weitesten gediehenen Teil des Großprojekts wurde vor wenigen Tagen bereits Richtfest gefeiert.

Gekonntes Namedropping: Für den Komplex verpflichtete man das Architekturbüro David Chipperfield.
Gekonntes Namedropping: Für den Komplex verpflichtete man das Architekturbüro David Chipperfield.Bloomimages Berlin

Bisher lässt sich die luxuriöse Aufmachung des Baus, für den das Architekturbüro David Chipperfield verantwortlich zeichnet, nur erahnen – noch können die Gäste, die mit feinperligem Sekt vom sächsischen Schloss Wackerbarth auf den Richtkranz anstoßen, nur die schiere Größe der Apartments und der fantastische Seeblick begeistern. Und trotzdem kann sich Artprojekt als Bauherr längst über ein reges Interesse von Käuferinnen und Käufern freuen.

„Von den 54 Wohnungen sind schon 46 verkauft, übrig sind lediglich vier Apartments und vier Penthouses“, sagt Geschäftsführerin und Unternehmenssprecherin Alexandra Gräfin von Stosch. In einer Onlineanzeige werden bei einem Quadratmeterpreis von 7083 Euro zwischen 492.000 und 2.229.000 Euro für den Eigentumstraum angesetzt – trotz Krise waren die ersten Eigentümerinnen und Eigentümer schnell gefunden. „Wir sind vor zwei Jahren mitten in der Pandemie mit den Verkäufen gestartet und konnten die Quote, die wir uns für die ersten Monate gesetzt hatten, trotzdem übertreffen“, so Gräfin von Stosch.

Gut kaschiert: Bauzäune wurden für die Feierlichkeiten hübsch dekoriert.
Gut kaschiert: Bauzäune wurden für die Feierlichkeiten hübsch dekoriert.Jonas Berndt

Diesen Erfolg sieht sie nicht zuletzt in der „Hamptons von Berlin“-Idee begründet. „Ich habe auch im privaten Kreis erlebt, dass Bekannte damals ihre Ferienhäuser auf Mallorca oder in Südfrankreich verkauft haben, weil ja gar nicht abzusehen war, wann und wie einfach man dort wieder hinreisen kann“, erzählt sie. „Es hat sich ein Bedürfnis nach einem Rückzugsort entwickelt, der gut und sicher zu erreichen ist.“ Und es sei ja nicht so, als hätte Bad Saarow nicht auch abgesehen von seiner Nähe zu Berlin – gerade einmal 70 Kilometer sind es in die Hauptstadt – viele Annehmlichkeiten zu bieten.

Gerademal 6000 Einwohner – aber ein eigenes Filmfestival gibt's trotzdem

Der schöne Scharmützelsee und lichte Kiefernwälder, eine Golfanlage mit vier Plätzen, Segelangebote, Reitangebote, Tennisangebote. Mit „Film ohne Grenzen“ hat der 6000-Seelen-Ort sogar ein eigenes Filmfestival – und für das kulinarische Angebot in der Gegend hat die Firma Artprojekt sowieso schon selbst gesorgt. Gleich mehrere Gastronomien in Bad Saarow werden von dem Berliner Unternehmen betrieben, darunter die offensichtlich französisch inspirierte Tortenmanufaktur Le Gâteau rose oder das bayerisch geprägte Restaurant Freilich am See, in dem Ochsenbäckchen und Bodden-Zander serviert werden.

Bunt gemischte Party-Crowd: die Zimmerleute links, potenzielle Käuferinnen und Käufer rechts.
Bunt gemischte Party-Crowd: die Zimmerleute links, potenzielle Käuferinnen und Käufer rechts.Jonas Berndt

„Aber“, sagt Gräfin von Stosch, und es klingt wie ein Versprechen: „Das soll hier kein abgeriegelter, exklusiver Ort werden, der nur Berliner Wochenendgästen vorbehalten ist. Das Marina Resort wird keine Gated Community.“ Man wolle auch die angestammten Bewohnerinnen und Bewohner Bad Saarows einbinden, das renovierte Neptun-Bad etwa soll wie jedes andere Strandbad mit Eintrittspreis für alle offenstehen. „Teil unseres Projekts ist außerdem, dass wir aktuell ganz verstärkt nach bezahlbaren Wohnungen für die Menschen suchen, die in unserem Hotel und unseren Anlagen arbeiten wollen.“

Für Axel Hylla wäre das mehr als wünschenswert. „Aber bisher sehe ich nicht wirklich, dass auf dieses Versprechen auch Taten folgen“, sagt der ehrenamtliche Bürgermeister von Bad Saarow. Projekte wie die der Marina Apartments seien für den Kurort zwar elementar, stellten ihn aber auch vor große Herausforderungen. Längst sind im Ort die Grund- und Mietpreise gestiegen, einige Alteingesessene habe das vertrieben. Das wiederum schade dann den Klinik- und Vergnügungseinrichtungen, dem ganzen Kurbetrieb des Ortes, dem schlicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen. „Tatsächlich höre ich aus der Bevölkerung mittlerweile viele kritische Stimmen“, so der Linken-Politiker, „die aktuellen Entwicklungen im Ort haben durchaus Konfliktpotential.“

Jahrgangssekt links liegengelassen: der Zimmermann greift lieber zum Bier.
Jahrgangssekt links liegengelassen: der Zimmermann greift lieber zum Bier.Jonas Berndt

Und trotzdem: Mit Bad Saarow als einem Brandenburger Pendant zu den Hamptons auf Long Island kann auch Axel Hylla etwas anfangen. „Sich über die Nähe zur Großstadt und über das Verhältnis zu Berlin zu definieren, hat für unseren Kurort Tradition“, sagt er, nur sei es schwierig, mit der Bereitstellung einer adäquaten Infrastruktur hinterherzukommen. „Das hat letztlich auch damit zu tun, dass Berlins und Brandenburgs statistische Landesämter zu lange davon ausgegangen sind, dass außerhalb des Speckgürtels nur noch der Niedergang zu verwalten wäre.“ Neben bezahlbarem Wohnraum fehle es Bad Saarow zum Beispiel auch an einem leistungsstarken Öffentlichen Personennahverkehr.

Kiefern müssen weichen – werden aber zur Kunstinstallation

Wer eben nicht mit dem Auto anreist, kann das in Ansätzen erleben: Von Fürstenwalde aus fährt zwar immerhin jede Stunde eine Regionalbahn zum Bahnhof Bad Saarow-Pieskow, der Zug ist nur einen putzigen Waggon lang. Im Kurort selbst aber sind die Buspläne überschaubar – und wer die raren Taxi-Nummern durchtelefoniert, hört Sätze wie: „Ich könnte in einer Stunde da sein“ oder „Andere Seeseite? Mach ick nich.“ Wer aber die etwas holprige Anreise auf sich nimmt, wird „auf der anderen Seeseite“ belohnt – wohl erst recht, wenn Marina Apartments, Grandhotel und Neptun-Bad fertig sind, was in Gänze Mitte des Jahres 2025 der Fall sein soll.

Gut gelegen: Noch steht nur der Rohbau des Luxus-Komplexes, der fabelhafte Seeblick ist aber schon da.
Gut gelegen: Noch steht nur der Rohbau des Luxus-Komplexes, der fabelhafte Seeblick ist aber schon da.Jonas Berndt

„Das Schöne ist, dass wir nicht einfach luxuriöse Gebäude in die Landschaft setzen“, so drückt es Alexandra Gräfin von Stosch aus, „sondern wirklich mit der Umgebung arbeiten.“ Nicht zuletzt entspricht das dem berühmten Credo Sir David Chipperfields, des Stararchitekten, dessen Büro für die Planung und Gestaltung der Marina Apartments verantwortlich ist: „Location is more important than architecture“ – „die Umgebung ist wichtiger als die Architektur“. Tatsächlich wirken seine holzverkleideten Kuben, zu allen Seiten von großformatigen Panoramafenstern unterbrochen, auf den Visualisierungen wie fast natürlich hineingewachsen in den privaten Kiefernwald, der ebenso der Firma Artprojekt gehört.

Selbst für die Bäume, die – in enger Abstimmung mit der Naturschutzbehörde, versteht sich – den Gebäuden weichen mussten, hat sich das Unternehmen etwas ausgedacht. „Dass wir die Kunst schon im Namen tragen, ist Programm“, so Gräfin von Stosch, die die Kunst- und Kulturabteilung der Firma leitete, bevor sie in die Geschäftsführung wechselte. „Bei allen Projekten arbeiten wir mit Künstlerinnen und Künstlern für Auftragsarbeiten, die sowohl im Hotel wie im Apartment-Komplex sichtbar werden sollen, unter anderem die Bildhauerin Claudia Comte.“

Serviervorschlag: Einrichtungs-Ideen flimmern über die Screens.
Serviervorschlag: Einrichtungs-Ideen flimmern über die Screens.Jonas Berndt

Die gefällten Kiefern wird die Schweizer Künstlerin, die große Skulpturen in Landart-Manier nicht selten unter freiem Himmel inszeniert, in Installationen für die Parks rund um Hotel und Apartmentgebäude verwandeln. Und auch ansonsten wolle Artprojekt Bad Saarow durch Kunst und Kultur bereichern, so Gräfin von Stosch. Im vergangenen Jahr sei durch das Unternehmen erstmals ein Musikfestival im Kurort realisiert worden, nun soll „Musik am See“ jedes Jahr stattfinden; auch Kunstausstellungen in den Kurpark-Kolonnaden des Ortes hat die Firma bereits veranstaltet. „Wir begreifen unsere Kulturevents weniger als Marketing für unsere Firma, sondern als Mehrwert für den Ort, als gemeinwohlorientierte Projekte, bei denen auch ein Austausch zwischen Alteingesessenen, neuen Bewohnern und Gästen entsteht.“

Arbeiter und Sonnenanbeter – auf die Balance kommt's an

Auch das kann sich Axel Hylla nur wünschen. Er fürchtet um die Balance im Kurort – was die Mischung aus arbeitender Bevölkerung und sonnenbadenden Urlaubern angeht, sei etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Der Trend zur Zweitwohnung in Bad Saarow etwa könne auf lange Sicht zu einer Überalterung des Ortes beitragen. „Wir beobachten, dass sich viele Menschen eine Immobilie bei uns kaufen, die sie erst als Wochenendbleibe, perspektivisch aber auch als Ruhesitz nutzen wollen“, sagt er. „Von einem persönlichen Standpunkt aus betrachtet kann ich das sehr gut verstehen, aber verbunden mit dem Wegzug jüngerer Generationen, die sich eine Wohnung in Bad Saarow nicht mehr leisten können, kann das auf lange Sicht problematisch werden.“

Fast wie natürlich reingewachsen: Die holzvertäfelten Kuben fügen sich schön in den privaten Kiefernwald ein.
Fast wie natürlich reingewachsen: Die holzvertäfelten Kuben fügen sich schön in den privaten Kiefernwald ein.Bloomimages Berlin

Sein Ansatz: Wachstum nicht verhindern, aber bewusst steuern. Notwendige Infrastrukturmaßnahmen in Angriff nehmen und „verursachergerecht“ finanzieren. Investorinnen und Investoren auch vom Bau bezahlbaren Wohnraums überzeugen. Die Kurtaxenregelung novellieren, die Parkraumbewirtschaftung ausbauen. Und: „Wir wollen unsere Zweitwohnsitzsteuersatzung überarbeiten“, so Hylla, „die ist ganz schön in die Jahre gekommen.“

Beim Richtfest der Marina Apartments ist indes der federführende Zimmermann mit seinem Richtspruch an der Reihe. „Gott schütze dieses neue Haus und alle, die da gehen ein und aus. Er schütze auch vor dieser Tür das Finanzamt und Gerichtsvollzieher“, sagt er und hält das Sektglas in die Sonne – „Prost!“