Jausa, jetzt knallen die Sekt-, Pardon, Champagnerkorken so richtig und der Kapitalismus kann endlich mal wieder schambefreit begossen werden. Die 1990er-Jahre-Kultshow „Der Preis ist heiß“ bei RTL ist zurück und die konsumreiche Lebensfreude kann gefeiert werden. Balsam für die von Inflation und Ungewissheiten gebeutelte, oft unterbezahlte Seele.
Das Studio ist dafür extra piekfein aufgehübscht worden, glitzert grellbunt im Charme längst vergangener Tage und mittig steht – ganz wie früher – Harry Wijnvoord. Nur sein Sidekick Walter Freiwald fehlt, er starb vor drei Jahren. Statt seiner preist nun Thorsten Schorn die Produkte auf der Bühne wie warme Semmeln an, ein einfacher Sonnenschirm wird da auch schon mal zu einem „Pfundskerl mit Spannweite von 3,70 Metern“.
Natürlich auch dabei: ein nigelnagelneues Auto
Das Spielprinzip ist immer noch genauso simpel, wie belanglos: Zufällig ausgewählte Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Publikum schätzen, was Flamingo, Paddle Board oder Backautomat kosten – wer am dichtesten dran ist, gewinnt das Produkt und kommt eine Runde weiter.
Aber Achtung! Überschätzen sollte sich niemand, denn wer will schon mehr zahlen, als der Markt im Angebot-Nachfrage-Gebot eifrig ausgerechnet hat? Am Ende geht es immer um ein „nigelnagelneues“ Auto. Tankrabatt und FDP sei Dank muss man sich um diesen Gewinn ja nun auch (fast) keine Sorgen mehr machen. Ölkrise? Sparzwang? Quatsch, bei RTL wird zwei Stunden lang zur besten Sendezeit einfach mal das Leben gefeiert.
Showmaster Harry auf der Bühne lotst dabei Personen aus der hyperventilierenden Publikumsmasse nach vorn als wären der Muffin-Backautomat, das Fitnessgerät für zu Hause oder der Wasserkocher Originale aus dem Bernsteinzimmer: „Nadine, kommen Sie zu mir“, säuselt er im bekannten niederländischen Akzent ins Mikro. Das ist übrigens sein Lieblingsgegenstand wie er später beim Mischen von Muscheln – bitte nicht nachfragen – zugibt.
Nadine kommt, auf dem Weg nach unten (oder oben, je nach späterem Gewinn) klatscht sie sich durch die frenetisch-jubelnde Publikumsmasse, die drei Mitspieler und Mitspielerinnen vorn am Ratepult werden auch noch einmal abgeklatscht. Na nu, gibt es im neoliberalen Kapitalismus doch nicht nur Konkurrentinnen und Konkurrenten? Egal, jetzt geht die Runde im Spiel des Lebens ja erst so richtig los und damit gilt: Alle gegen alle! Wer gewinnt die „fantastischen Preise“?

Diese Woche schreibt Maxi, die als Kind in die britische Monarchie einheiraten wollte, später aber doch überzeugte Republikanerin wurde. Die üppig-feudalen Eheschließungen guckt sie heute schambefreit in Live-Übertragungen. Daneben auch haufenweise andere (vermeintliche) Trash-Formate.
Was kostet der riesige Aufblasflamingo zum Einstieg? 120 Euro? „Mehr! Niedriger!“, brüllt das Publikum dann gewohnt nervig durch das Studio. Doch Showmaster Harry Wijnvoord bleibt gelassen, seine fast einzige Aufgabe ist es, die marktschreiende Horde im Publikum für noch mehr Produkte, oder Preise, zu begeistern. Schreit das Publikum, läuft’s also gut. Die RTL-Show ist und bleibt auch 25 Jahre nach der bis dahin letzten Folge eine Dauerwerbesendung.
90er-Jahre feiern Comeback auf der Fernsehleinwand
Nadine gewinnt und gesteht, dass Harry der Held ihrer Kindheit sei. Der kann nur verdutzt „Ich bin der Held. Nein, ehrlich?“ antworten, hier zeigt sich ein menschlicher Moment ehrlicher Aufregung. Der Flamingo, übrigens für 229 Euro genauso überteuert wie wahrscheinlich unnütz, gehört schon Kandidatin Nadine. Anschließend gewinnt sie noch ein Lastenrad. Prost! Auf das schöne Leben, Nadine!
Wijnvoord ist dabei ganz der Alte geblieben, mit hölzern-guter Laune steht er auf der knallbunten Bühne – nur die weißen Turnschuhe, Pardon, Sneaker, suggerieren Modernität. Die stummen Assistentinnen (und Assistenten) holen zumindest das Fernsehpublikum aber sogleich wieder zurück in die 90er-Jahre. Bittere Erinnerungen an die politisch völlig unwoken 90er-Jahre werden auch wach, als Wijnvoord den Kandidaten Reza fragt, wo er denn herkomme. Mit dunklen Haaren und Augen sieht der zwar nicht stereotyp weißdeutsch aus, kommt aber eben dennoch aus Hamburg.

