Mode

Berlin Street Style: Auf dem Flohmarkt im Mauerpark muss keiner mehr gendern

Schubladen adieu! Ob Junge oder Mädchen – das ist auf Berlins Straßen längst egal. Hat der Vintage-Trend seinen Teil dazu beigetragen? Wir gehen an die Quelle.

Simay ist trotz schlichten Outfits ein absoluter Blickfang, denn sie hat ein Händchen für das Aufpeppen von Basics.
Simay ist trotz schlichten Outfits ein absoluter Blickfang, denn sie hat ein Händchen für das Aufpeppen von Basics.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende

Könnte es vielleicht sein, dass der Vintage-Trend ein Booster im Aufbrechen von textilen Regeln ist? Im Secondhandshop war es doch schon immer zweitrangig, oder das Hemd mal für einen Mann, der Pullover einst für eine Frau gemacht wurde. Was gefällt, wird gekauft und getragen. Egal von wem. 

Auf dem Flohmarkt im Mauerpark zeigt sich, was in der Berliner Mitte längst selbstverständlich ist: offenherzige, genderlose Outfits – getragen von Menschen, für die der Begriff Schönheit ein Flummi ist, mit dem sie spielen.

Mo studiert Mode mit dem Schwerpunkt Marken und Kommunikation in Amsterdam. Derzeit wohnt er in Berlin, weil er ein Praktikum bei einem Berliner Label macht. „Ich finde fast alle meine Sachen auf der Straße“, sagt Mo. Das trifft, bis auf die Buffalo-Schuhe aus veganem Leder, auch auf sein heutiges Outfit zu: Sporthosen und Top, von dem Mo die Ärmel abgeschnitten hat. Was die Berliner so alles vor die Tür stellen!
Mo studiert Mode mit dem Schwerpunkt Marken und Kommunikation in Amsterdam. Derzeit wohnt er in Berlin, weil er ein Praktikum bei einem Berliner Label macht. „Ich finde fast alle meine Sachen auf der Straße“, sagt Mo. Das trifft, bis auf die Buffalo-Schuhe aus veganem Leder, auch auf sein heutiges Outfit zu: Sporthosen und Top, von dem Mo die Ärmel abgeschnitten hat. Was die Berliner so alles vor die Tür stellen!Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Mo trägt passend zur Hose blauweiße Ohrringe, die wie eine schmuckgewordene 80er-Jahre-Grafik wirken. Bezüglich Ohrschmuck sei er „obsessed“, sagt Mo. Sie seien ein Symbol für eine Freiheit, die er in seiner Heimat vermisst. In Syrien sei man sehr restriktiv bezüglich der Kleidung und des Schmucks. Als Mann könnte er diese Ohrringe dort nicht problemlos tragen.
Mo trägt passend zur Hose blauweiße Ohrringe, die wie eine schmuckgewordene 80er-Jahre-Grafik wirken. Bezüglich Ohrschmuck sei er „obsessed“, sagt Mo. Sie seien ein Symbol für eine Freiheit, die er in seiner Heimat vermisst. In Syrien sei man sehr restriktiv bezüglich der Kleidung und des Schmucks. Als Mann könnte er diese Ohrringe dort nicht problemlos tragen.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Simay zeigt uns, was Accessoires bewirken können. Der super simple, schwarze Look aus engem T-Shirt und knappem Höschen wird durch die mehrfach um den Hals gewickelte helle Perlenkette und die riesengroße Vintagebrille zum Hingucker. Dazu kombiniert Simay ein Paar Adidas Ozelia in elegantem Greige. Simay ist zu Besuch in Berlin, sie studiert Kunstgeschichte in Eskişehir (Türkei).
Simay zeigt uns, was Accessoires bewirken können. Der super simple, schwarze Look aus engem T-Shirt und knappem Höschen wird durch die mehrfach um den Hals gewickelte helle Perlenkette und die riesengroße Vintagebrille zum Hingucker. Dazu kombiniert Simay ein Paar Adidas Ozelia in elegantem Greige. Simay ist zu Besuch in Berlin, sie studiert Kunstgeschichte in Eskişehir (Türkei).Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Brille 70er, Perlen 60er, Piercing 90er – eine kleine Zeitreise durch die Welt der Accessoires
Brille 70er, Perlen 60er, Piercing 90er – eine kleine Zeitreise durch die Welt der AccessoiresAgatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Ein außergewöhnlicher Ring mit Besteckanleihen zu frisch gemachten Gelnägeln
Ein außergewöhnlicher Ring mit Besteckanleihen zu frisch gemachten GelnägelnAgatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Beim Anblick dieser Flohmarktbesucher kommt die Fantasie in Schwung. Ein Erotikservice mit Hundebetreuung? Ein Tanzduo im Urlaub? Mitnichten. Die 2019 aus Paris nach Berlin gezogene Eda ist zwar in vielen Feldern aktiv, aber vor allem im Kreativbereich. Sie entwirft Mode, arbeitet als Creative Consultant und macht queere Kunst. Auch ihr Freund Boat macht Mode. Er lebt in Bangkok und ist als Hochzeitsgast in Berlin zu Besuch. Sein Look: Brille von Tom Ford, Cap von New Era und Hemd von Jaspal, das „Zara von Thailand“, wie Boat sagt. Die Schuhe habe er bei einer Instagram-Marke gekauft. Unter dem Namen Thats 17 macht er selbst Kleidung, wie seine Shorts und die Tasche. Die Zahlen 1 und 7 trägt er deshalb als Tattoo auf seinen Oberarmen.
Beim Anblick dieser Flohmarktbesucher kommt die Fantasie in Schwung. Ein Erotikservice mit Hundebetreuung? Ein Tanzduo im Urlaub? Mitnichten. Die 2019 aus Paris nach Berlin gezogene Eda ist zwar in vielen Feldern aktiv, aber vor allem im Kreativbereich. Sie entwirft Mode, arbeitet als Creative Consultant und macht queere Kunst. Auch ihr Freund Boat macht Mode. Er lebt in Bangkok und ist als Hochzeitsgast in Berlin zu Besuch. Sein Look: Brille von Tom Ford, Cap von New Era und Hemd von Jaspal, das „Zara von Thailand“, wie Boat sagt. Die Schuhe habe er bei einer Instagram-Marke gekauft. Unter dem Namen Thats 17 macht er selbst Kleidung, wie seine Shorts und die Tasche. Die Zahlen 1 und 7 trägt er deshalb als Tattoo auf seinen Oberarmen.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Die Buchstaben auf Edas selbstgemachtem Kleid führen in die Irre: BDSM steht hier für „The Buddhism Development for Sales and Marketing“.
Die Buchstaben auf Edas selbstgemachtem Kleid führen in die Irre: BDSM steht hier für „The Buddhism Development for Sales and Marketing“.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Hund Alma mit Vintage-Tasche und -Tuch
Hund Alma mit Vintage-Tasche und -TuchAgatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Und jetzt ist Alma müde.
Und jetzt ist Alma müde.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Neels ist Künstler, genauer gesagt Maler, ganz ordentlich und akademisch in Weißensee ausgebildet. Auch er sammelt seine Kleidung vornehmlich aus den „zum Mitnehmen“-Kartons am Straßenrand; so auch das Top und die Hose, die er heute trägt. Seine außergewöhnliche Jacke habe er von einer Bekanntschaft, die über das Kleidungsstück zur Freundschaft wurde. Jener Freund schneiderte seine aussortierte Militärjacke einst für Neels um. Auch die Schuhe sind ein Geschenk. Die auffällige Kette, die Neels um den Hals trägt, hing an einem Baum. „Die habe ich mir zurechtgebastelt“, sagt er.
Neels ist Künstler, genauer gesagt Maler, ganz ordentlich und akademisch in Weißensee ausgebildet. Auch er sammelt seine Kleidung vornehmlich aus den „zum Mitnehmen“-Kartons am Straßenrand; so auch das Top und die Hose, die er heute trägt. Seine außergewöhnliche Jacke habe er von einer Bekanntschaft, die über das Kleidungsstück zur Freundschaft wurde. Jener Freund schneiderte seine aussortierte Militärjacke einst für Neels um. Auch die Schuhe sind ein Geschenk. Die auffällige Kette, die Neels um den Hals trägt, hing an einem Baum. „Die habe ich mir zurechtgebastelt“, sagt er.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Zu den Ringfunden trägt Neels Nagellack in Türkis.
Zu den Ringfunden trägt Neels Nagellack in Türkis.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Neels wohnt in Moabit, wo er seinen Hut in einem Vintage-Shop gekauft hat. Den Schmuck hat er selbst angebracht.
Neels wohnt in Moabit, wo er seinen Hut in einem Vintage-Shop gekauft hat. Den Schmuck hat er selbst angebracht.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Alexandre lebte in Paris, bevor er nach Berlin zog, um die Studiengänge Mathematik, Computerwissenschaft und Musikalische Improvisation zu belegen. Bei dieser spannenden Kombination ahnt man seinen Berufswunsch: Er will Forscher werden. Ein feminin geschnittenes Sportoberteil hat er zum bauchfreien Sommertop umfunktioniert, die Hose ist Secondhand. Die weißen Stoffschuhe hat er bei Muji gekauft. Die Brille ist aus Paris; auch wenn sie wie ein Fashion-Accessoire aussieht, sie hat <a href="https://www.google.com/search?sca_esv=566970484&amp;rlz=1C5CHFA_enDE914DE914&amp;q=Dioptrien&amp;spell=1&amp;sa=X&amp;ved=2ahUKEwjl6LKg1bmBAxUIxQIHHfzaASsQkeECKAB6BAgLEAE">Dioptrien</a>! Alexandres Locken seien echt, und er müsse manchmal ganz schön mit ihnen kämpfen, sagt der angehende Wissenschaftler.
Alexandre lebte in Paris, bevor er nach Berlin zog, um die Studiengänge Mathematik, Computerwissenschaft und Musikalische Improvisation zu belegen. Bei dieser spannenden Kombination ahnt man seinen Berufswunsch: Er will Forscher werden. Ein feminin geschnittenes Sportoberteil hat er zum bauchfreien Sommertop umfunktioniert, die Hose ist Secondhand. Die weißen Stoffschuhe hat er bei Muji gekauft. Die Brille ist aus Paris; auch wenn sie wie ein Fashion-Accessoire aussieht, sie hat Dioptrien! Alexandres Locken seien echt, und er müsse manchmal ganz schön mit ihnen kämpfen, sagt der angehende Wissenschaftler.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Maria ist Sommelière und lebt seit acht Jahren in Berlin. Mario ist IT-Berater, er ist seit zwei Jahren hier. Die beiden kommen aus Italien und haben sich in Berlin kennengelernt, wo sie ein Paar wurden. Ihre Kleidung sei nicht teuer gewesen, das Wort China fällt, wir lachen. Keine weiteren Fragen. Oder doch: Ob Mario seine Augen immer mit Kajal schminke. „Ich mache das gerne, wenn es sich anbietet“, antwortet er freundlich.
Maria ist Sommelière und lebt seit acht Jahren in Berlin. Mario ist IT-Berater, er ist seit zwei Jahren hier. Die beiden kommen aus Italien und haben sich in Berlin kennengelernt, wo sie ein Paar wurden. Ihre Kleidung sei nicht teuer gewesen, das Wort China fällt, wir lachen. Keine weiteren Fragen. Oder doch: Ob Mario seine Augen immer mit Kajal schminke. „Ich mache das gerne, wenn es sich anbietet“, antwortet er freundlich.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
An einem Baum sitzt Charlotte aus Los Angeles. Sie ist Meditationstrainerin und begegnet uns mit kalifornischer Überschwänglichkeit. Im mauligen Berlin wirkt sie wie von einem anderen Stern. Sie besuche hier ihre „Friends and Lovers“, freut sich Charlotte und drückt uns ihr Visitenkärtchen in die Hand. Auf dem steht eine Mini-Atemmeditation, die wir gleich ausprobieren. Es wirkt.
An einem Baum sitzt Charlotte aus Los Angeles. Sie ist Meditationstrainerin und begegnet uns mit kalifornischer Überschwänglichkeit. Im mauligen Berlin wirkt sie wie von einem anderen Stern. Sie besuche hier ihre „Friends and Lovers“, freut sich Charlotte und drückt uns ihr Visitenkärtchen in die Hand. Auf dem steht eine Mini-Atemmeditation, die wir gleich ausprobieren. Es wirkt.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Charlotte in einem grünen Samtkleid von Anthropologie. „Ich war gerade in der Klimt-Ausstellung und wollte wie ein Gemälde aussehen“, sagt sie. „Mit dem Schmuck habe ich das Kleid etwas moderner gemacht.“ Das Jade-Armband sei in der asiatischen Kultur ein Schutz vor Gefahren, es müsse links getragen werden. Sie habe gerne etwas höhere Absätze, sagt Charlotte über ihre Schuhe, weil sie so klein sei.&nbsp;
Charlotte in einem grünen Samtkleid von Anthropologie. „Ich war gerade in der Klimt-Ausstellung und wollte wie ein Gemälde aussehen“, sagt sie. „Mit dem Schmuck habe ich das Kleid etwas moderner gemacht.“ Das Jade-Armband sei in der asiatischen Kultur ein Schutz vor Gefahren, es müsse links getragen werden. Sie habe gerne etwas höhere Absätze, sagt Charlotte über ihre Schuhe, weil sie so klein sei. Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Und jetzt wird’s raffiniert. Das sind die schleifenverzierten Lackstiefel von Sarina aus Prenzlauer Berg.
Und jetzt wird’s raffiniert. Das sind die schleifenverzierten Lackstiefel von Sarina aus Prenzlauer Berg.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Das detailreiche Outfit der Berliner Psychologiestudentin besteht neben ganz vielen Schleifen aus einem Vintage-Mieder von Dolce &amp; Gabbana, das sie für zwanzig Euro erstanden hat. Das Strickjäckchen hat Sarina vom Flohmarkt, die Stiefel sind von Demonia Cult. „Ich werde oft gefragt, ob ich Anime-Fan bin“, erzählt Sarina. „Bin ich aber nicht, ich lasse mich von ganz vielen unterschiedlichen Dingen für meine Outfits inspirieren.“
Das detailreiche Outfit der Berliner Psychologiestudentin besteht neben ganz vielen Schleifen aus einem Vintage-Mieder von Dolce & Gabbana, das sie für zwanzig Euro erstanden hat. Das Strickjäckchen hat Sarina vom Flohmarkt, die Stiefel sind von Demonia Cult. „Ich werde oft gefragt, ob ich Anime-Fan bin“, erzählt Sarina. „Bin ich aber nicht, ich lasse mich von ganz vielen unterschiedlichen Dingen für meine Outfits inspirieren.“Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Sarina benutzt alte Hochzeitskleider, um sich Kleidung daraus zu schneidern. Auch dieses Höschen ist so entstanden.
Sarina benutzt alte Hochzeitskleider, um sich Kleidung daraus zu schneidern. Auch dieses Höschen ist so entstanden.Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende
Auch alte Jeans verarbeitet Sarina zu Neuem, wie dieser Tasche. Auf die Frage, ob sie nicht Mode machen wolle, antwortet sie: „Nein, ich studiere erst mal fertig.“
Auch alte Jeans verarbeitet Sarina zu Neuem, wie dieser Tasche. Auf die Frage, ob sie nicht Mode machen wolle, antwortet sie: „Nein, ich studiere erst mal fertig.“Agatha Powa für Berliner Zeitung am Wochenende