Berlin-Als der junge Fußballprofi Paulinho im Sommer 2018 seine Heimat Brasilien verließ, wähnte er sich auf dem Weg ins Gelobte Land: Leverkusen. Klingt zugegebenermaßen komisch, schließlich gilt das Gemeinwesen an der Dhünn in Deutschland vor allem als eine Stadt, wo die Leute entweder in Köln wohnen oder davon träumen, in Köln zu wohnen. Und fußballerisch verbindet man den Ort vorwiegend mit unschönen Begriffen wie Vizekusen, Eigentor, 1:7 in Barcelona oder Erich Ribbeck.

Das ist etwas ungerecht, schließlich gab es Zeiten, in denen das Bayer-Team äußerst ansehnlichen Fußball spielte, etwa 1988 beim Uefa-Cup-Gewinn (mit Trainer Ribbeck), Mitte der Neunzigerjahre mit Spielern wie Rudi Völler, Ulf Kirsten, Bernd Schuster, Andreas Thom, Paulo Sergio, bis Rückkehrer Ribbeck der Sache ein Ende setzte. Oder später mit Michael Ballack, Bernd Schneider oder Zé Roberto, als 2002 der Einzug ins Champions-League-Finale gelang, Zinédine Zidane mit Real Madrid jedoch den größten Titel der Klubgeschichte verhinderte.
Tita, ein Pionier aus Rio
Und immer wieder waren es brasilianische Fußballer, die der Mannschaft Spielwitz, Charakter, eigenwillige Torjubeltänze und gute Laune brachten, rund zwei Dutzend, seit 1987 der Pionier Tita aus Rio de Janeiro einflog, direkt vom Flughafen ins Müngersdorfer Stadion verschleppt und beim 0:0 gegen den 1. FC Köln in der 65. Minute eingewechselt wurde. Das kleine Dribbelwunder, das damals noch keine Ahnung hatte, wer oder was Leverkusen ist, blieb nur acht Monate, aber der Weg war geebnet. Womit wir wieder bei Paulinho wären.
„Se é Bayer, é bom“, wenn es Bayer ist, ist es gut, hieß der Werbespruch des Pharmakonzerns in Brasilien, und er galt zumindest für den Fußball. Außer Paulo Sergio und Zé Roberto folgten auf Tita unter anderen Jorginho, Emerson, Lúcio, Juan, Renato Augusto. Leverkusens Partien wurden oft im Fernsehen übertragen, und die permanente brasilianische Präsenz im Team sorgte dafür, dass der Klub hier so beliebt wurde wie sonst nirgends auf der Welt, nicht mal in Leverkusen. In Brasilien gilt Bayer als ideale Anlaufstelle für große Karrieren, was der von vielen europäischen Topvereinen umworbene Paulinho ausdrücklich als Grund für seine Entscheidung angab. Seine Zukunft in der Fremde hatte er sich allerdings anders vorgestellt.
Schließlich war Paulinho nicht irgendwer, sondern galt als eines der größten Talente im Land. Immerhin 18,5 Millionen Euro Ablöse hatte Bayer an Vasco da Gama in Rio überweisen müssen, und seine Ambitionen hatte der Jüngling schon früh und ohne Scheu deutlich gemacht, als er sich in den sozialen Netzwerken als „PH7“ präsentierte, der Vorname Paulo Henrique plus bevorzugte Rückennummer. Ein klares und selbstbewusstes Statement, gleichzeitig eine Hommage an Cristiano Ronaldo und dessen CR7-Markenzeichen.
Doch in Leverkusen saß der neue Ronaldo zunächst auf der Bank, und da blieb er dann, abgesehen von gelegentlichen Einwechslungen, fünf davon, besonders demütigend, in der 89. Minute. Die Situation änderte sich auch nicht, als der Trainer Peter Bosz für den gefeuerten Heiko Herrlich kam. Immerhin reichte Paulinho beim 2:0 im November in Wolfsburg die eine statistische Minute für sein erstes Bundesligator, in Wahrheit traf er in der sechsten Minute der Nachspielzeit.


