Bundesliga-Kolumne

Klaus Gjasula jagt einen Rekord, pausiert nun aber für ein Tor

Der Paderborner nähert sich der Fußball-Legende Walter Frosch an. Der schrieb als kompromissloser Verteidiger Geschichte.

Berlin-Er war gelernter Schornsteinfeger, rauchte wie ein Schlot, hatte eine Stimme wie Bob Dylan und fühlte sich stark zu weniger gut beleumundeten Stadtvierteln hingezogen. Logisch, dass so jemand beim FC St. Pauli zur Kultfigur wird, wenn er eine Weile dort spielt, die Fans des Klubs wählten Walter Frosch in ihre Jahrhundertelf. Der vergnügungsfreudige Fußballprofi hatte aber mehr zu bieten als das. So unterschrieb er mal, so wie die ähnlich talentierten Berufskollegen Bernd Schuster und Alfredo Di Stefano, gleichzeitig Verträge bei zwei verschiedenen Klubs, als er 1974 den vom DFB diskriminierten SV Alsenborn verließ, der nicht in die 2. Bundesliga durfte, weil er den Funktionären zu dörflich war.

Ein Tor? Okay,  aber dann muss die nächste Gelbe Karte warten: der Paderborner Klaus Gjasula.
Ein Tor? Okay, aber dann muss die nächste Gelbe Karte warten: der Paderborner Klaus Gjasula.dpa/Rolf Vennenbernd

Frosch wartete auf die Verbandsentscheidung in der Vertragsfrage gemütlich am Ballermann in Mallorca, als der noch nicht so hieß, das Rennen machte der 1. FC Kaiserslautern gegen den FC Bayern, der Spieler wurde vier Monate gesperrt. Die kurze Zeit in München hatte Frosch immerhin gereicht, Jupp Kapellmann zu ohrfeigen und Trainer Udo Lattek in den Wahnsinn zu treiben. In Kaiserslautern schaffte er es dann mal, dem Trainer Erich Ribbeck einen veritablen Kater beim Morgentraining erfolgreich als Bindehautentzündung zu verkaufen.

Infobox image
BLZ/Mike Fröhling
Bundesliga-Kolumnist
Matti Lieske wirft an jedem Wochenende seinen ganz speziellen Blick auf den Spieltag.

In die Bundesligageschichte ging der kompromisslose Verteidiger, der mal eine Einladung des damaligen Helmut-Schön-Assistenten Jupp Derwall zur B-Nationalmannschaft zu dessen Überraschung ablehnte („Ein Walter Frosch spielt nur A-Mannschaft oder Weltauswahl“), aber wegen anderer Fertigkeiten ein. „Mein größter Feind war immer die Kneipe“, sagte Walter Frosch gern, der größte Feind der gegnerischen Stürmer war hingegen er. Frosch war der Grund für die Einführung der Gelbsperre, nachdem er in einer Zweitligasaison mit St. Pauli 18 oder 19 Gelbe Karten eingeheimst hatte, so genau weiß man das wegen mangelnder Statistikerhebung nicht. Womit wir bei Klaus Gjasula wären.

Der Paderborner Mittelfeldmann, der in Tirana geboren wurde und seinen deutschen Namen der Oma verdankt, weil die gern Schwarzwaldklinik guckte, spielt A-Nationalmannschaft – für Albanien. Ansonsten hat er mit Walter Frosch nicht viel gemein, außer der Vorliebe für Gelbe Karten. Zehn Stück in seinen ersten 18 Bundesligaspielen waren Rekord, und er schien auf dem besten Weg zu sein, endlich die von Stefan Effenberg und Tomasz Hajto gehaltene Bestmarke von 16 Verwarnungen in einer Bundesligasaison zu übertrumpfen und möglicherweise in jene Dimensionen vorzudringen, die einst der 2013 verstorbene Walter Frosch erschlossen hatte.

Klaus Gjasula geht in die Statistik ein

Dann kam erst die froschbedingte Gelbsperre dazwischen, und am Sonnabend Trainer Steffen Baumgart, der ihm beim Spiel auf Schalke zunächst die Ersatzbank zuwies. Erst die Verletzung von Abdelhamid Sabiri in der 11. Minute beförderte Gjasula auf den Platz, wo er auf ungewohnte Weise in die Spielstatistik einging, nicht mit Gelb, sondern mit einem Tor. In der 81. Minute köpfte er den Ball nach einer Ecke mit der vollen Wucht des martialischen Helmes, den er seit einer Gesichtsverletzung immer trägt, zum 1:1-Endstand ins Tor. Ein gültiger Treffer, obwohl eigentlich mit einem artfremden Hilfsmittel erzielt. Nicht dass Cristiano Ronaldo noch auf die Idee kommt, sich eine Stahlplatte an die Stirn zu nageln.

Was aber war mit der obligatorischen Gelben Karte für die Rekordjagd? Nicht mal der Torjubel, eigentlich die ideale Gelegenheit für das Anhäufen von Verwarnungen, konnte helfen. Da nahm Gjasula zwar seinen Batman-Kopfschmuck ab, was ein Bruce Wayne (oder Walter Frosch) natürlich nie getan hätte, und ließ sich barhäuptig feiern, obwohl der Aufenthalt im Zentrum einer Jubeltraube nicht weniger gefährlich für Nasen- oder Jochbeine erscheint als manches Kopfballduell. Gelb blieb jedenfalls aus, da es nach den Regeln eben nur strafbar ist, Kopf oder Gesicht nach Torerfolg „mit einer Maske oder Ähnlichem“ zu bedecken, nicht aber, eine Maske oder Ähnliches von Kopf oder Gesicht zu entfernen.

Klaus Gjasula beendete die Partie gelbfrei. Nun bleiben ihm noch 13 Spieltage für die restlichen sieben Karten, die zum Rekord fehlen. Immerhin wird ihn Trainer Baumgart nach dem wertvollen Beitrag zum Punktgewinn wohl wieder in die Startelf befördern.